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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Siger von Brabant: Fragen zur Metaphysik Reportatio Viennensis, l. VII, q. 1 (W. Dunphy, Louvain-la-neuve 1981, p. 380, 19-36; 381, 79-82)

Original:

Siger von Brabant interpretiert Avicennas These der notwendigen Wirkung jeder Ursache im Sinne der Differenzierungen der aristotelischen Naturphilosophie
[1] Sic […] intelligit Avicenna quando dicit quod omnis effectus respectu suae causae est necessarius, id est quia omnis effectus neccesse est quod proveniat ex sua causa, sic accepta ut non impedita, sicut deus providit. […]
[2] Sed advertendum quod multum differt aliquid evenire de necessitate primo modo, scilicet quia evenit a causa quae non tantum est non impedita, immo etiam non est impedibilis, et quod aliquid eveniat de necessitate […] ex causa quae, licet non sit impedita, est tamen impedibilis. Id est, differt aliquid evenire de necessitate simpliciter et aliquid evenire ex causa de necessitate contingenter et modo possibili aliter se habere, quia aliquid evenire de necessitate primo modo tollit […] arbitrium et consilia nostra, eo quod nihil prodesset consiliari aut negotiari, ut eveniat eius contrarium. […]
[3] Omnis effectus qui evenit a causa aut evenit a causa necessaria (id est, non impedibili), aut evenit a causa quae non est causa sui effectus semper, sed ut in pluribus (et haec est nata impediri), aut evenit a causa per accidens.

Quelle: Siger von Brabant: Fragen zur Metaphysik /Quaestiones in Metaphysicam Reportatio Viennensis, l. VII, q. 1 (W. Dunphy, Louvain-la-neuve 1981, p. 380, 19-36; 381, 79-82).
Edition: N.N.

Themen:

  • Avicenna
  • Metaphysik
  • Mittelalterliche Philosophie

[1] So meint es Avicenna, wenn er sagt, dass jede Wirkung im Hinblick auf ihre Ursache notwendig ist: nämlich deswegen, weil jede Wirkung notwendigerweise aus ihrer Ursache hervogeht, wenn man diese als nicht gehinderte versteht, so wie Gott das vorgesehen hat. […]
[2] Aber man muss beachten, dass es einen großen Unterschied macht, ob etwas aus Notwendigkeit in der ersten Weise geschieht – nämlich deswegen, weil es aufgrund einer Ursache geschieht, die nicht nur nicht gehindert wird, sondern auch gar nicht hinderbar ist – oder ob etwas aus Notwendigkeit […] aufgrund einer Ursache geschieht, die, obwohl sie nicht gehindert wird, trotzdem hinderbar ist. Das heißt, es macht einen Unterschied, ob etwas schlechthin aus Notwendigkeit geschieht oder ob etwas aus Notwendigkeit aufgrund einer Ursache in kontingenter Weise und auf eine Art geschieht, bei der es möglich ist, dass es sich anders verhält. Denn dass etwas auf die erste Weise aus Notwendigkeit geschieht, hebt […] unsere Entscheidung unsere Überlegungen auf, weil es nichts nützen würde zu überlegen oder sich Mühe zu geben, dass das Gegenteil davon geschieht. […]
[3] Jede Wirkung, die aus einer Ursache heraus geschieht, geschieht entweder aus einer notwendigen Ursache heraus (das heißt aus einer nicht hinderbaren heraus), oder es geschieht aus einer Ursache heraus, die nicht immer Ursache für ihre Wirkung ist, sondern in den allermeisten Fällen (und diese ist so geartet, dass sie gehindert werden kann), oder sie geschieht aus einer akzidentellen Ursache heraus.


Übersetzer: Matthias Perkams