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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Abaelard, Peter: Dialog zwischen einem Juden, einem Philosophen und einem Christen II, nr. 92-94

Original:

Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosophus: Quam, ut arbitror, beatitudinem Epicurus voluptatem, Christus vester regnum caelorum nominat. Quid autem refert quo nomine vocetur, dummodo res eadem permaneat nec sit beatitudo diversa nec iuste vivendi philosophis quam christianis intentio proponatur alia? Ut enim vos, sic et nos hic vivere iuste disponimus, ut illic glorificemur, et hic contra vitia pugnamus, ut meritis virtutum illic coronemur, summum illud scilicet bonum pro mercede adepti.
b) Christianus: Immo longe, quantum percipio, nostra in hoc et vestra tam intentio quam merita sunt diversa, et de ipso quoque summo bono non modice dissentimus.
Philosophus: Id, obsecro, si vales, aperias.
c) Christianus: Nemo recte summum bonum dicit quo maius aliquid invenitur [...] Omnem vero beatitudinem vel gloriam humanam longe et ineffabiliter a divina transcendi constat; nulla igitur praeter illam recte summa nuncupanda est, aut praeter ipsum nihil iure summum bonum dicitur.
Philosophus: Non hoc loco absolute summum bonum, sed summum hominis bonum intendimus.
Christianus: Sed nec summum hominis bonum recte dicimus quo maius aliquod hominis bonum reperitur.

Quelle: Abaelard, Peter: Dialog zwischen einem Juden, einem Philosophen und einem Christen /Collationes II, nr. 92-94.
Edition: Marenbon/Orlandi

Auslegung:

Nach der Meinung des Philosophen unterschiedet sich das Glücklichsein nur im Namen und nicht in der Sache von der christlichen Definition. Dem widerspricht der christliche Gesprächspartner und behauptet, dass es unterschiedliche Ansichten bezüglich der Intentionen, Verdienste und des höchsten Gutes gäbe. So ist die göttliche Glückseligkeit für den Christen das höchste Gut, da diese die menschliche übersteigt. Der Philosoph meint sich auf das höchste Gut für den Menschen zu konzentrieren und nicht auf das höchste Gut an sich.

Themen:

  • Christentum und Philosophie
  • Glückseligkeit
  • Höchstes Gut

a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst. c) Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden, und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich, sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden wird.

Übersetzer: Perkams