Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Diogenes Laertios: Leben der Philosophen 10, 33 = LS 17E

Original:

Ein Vorbegriff (prolēpsis) macht für Epikur erst die Erkenntnis möglich
Τὴν δὲ πρόληψιν λέγουσιν οἱονεὶ κατάληψιν ἢ δόξαν ὀρθὴν ἢ ἔννοιαν ἢ καθολικὴν νόησιν ἐναποκειμένην, τουτέστι μνήμην τοῦ πολλάκις ἔξωθεν φανέντος, οἷον τὸ Τοιοῦτόν ἐστιν ἄνθρωπος·ἅμα γὰρ τῷ ῥηθῆναι ἄνθρωπος εὐθὺς κατὰ πρόληψιν καὶ ὁ τύπος αὐτοῦ νοεῖται προηγουμένων τῶν αἰσθήσεων. παντὶ οὖν ὀνόματι τὸ πρώτως ὑποτεταγμένον ἐναργές ἐστι· καὶ οὐκ ἂν ἐζητήσαμεν τὸ ζητούμενον εἰ μὴ πρότερον ἐγνώκειμεν αὐτό· οἷον Τὸ πόρρω ἑστὼς ἵππος ἐστὶν ἢ βοῦς· δεῖ γὰρ κατὰ πρόληψιν ἐγνωκέναι ποτὲ ἵππου καὶ βοὸς μορφήν·

Quelle: Diogenes Laertios: Leben der Philosophen /Vitae philosophorum (Vit.) 10, 33 = LS 17E.
Edition: N.N.

Auslegung:

Ein Vorbegriff bzw. eine richtige Meinung liegt jeder Bezeichnung ursprünglich zugrunde und ermöglicht die Erkenntnis.
- Prolepsis antwortet auf das sogenannten „Menon-Paradox“: Wie kann ich etwas erforschen und das Gefundene erkennen, ohne es vorher zu wissen
→ Prolepsis ist ein allgemeiner Begriff, der dem Wissenserwerb durch Sinneswahrnehmung vorausgeht
- Text ist wohl so zu verstehen, dass dieser allgemeinen Begriffe durch Beobachtung angereichert werden muss, so dass der „Umriss“ erkannt ist
- dass Menschen und Ochsen erkannt werden, setzt also voraus, dass ihr Begriff aus vorhergehenden Sinneswahrnehmungen bekannt ist
→ Prolepsis ist in diesem Sinne kein angeborenes Konzept oder gar keine erinnerbare Idee, sondern ein aus Erfahrungen gleichsam automatisch geformtes Konzept, das insofern unserer tiefergehenden Erforschung zugrundeliegt

Themen:

  • Epikureer
  • Erkenntnis
  • Antike Philosophie II

Der Vorbegriff ist, so sagen die Epikureer, sozusagen ein Auffassen oder eine richtige Meinung oder ein Begriff oder ein allgemeines innewohnendes Denken – d.h. eine Erinnerung – dessen, was uns häufig von außen erschienen ist, wie z.B. ,so etwas ist ein Mensch‘. Denn sobald das Wort ,Mensch‘ geäußert wird, wird sofort mittels eines Vorbegriffs auch sein Umriss gedacht, sofern Sinneswahrnehmungen vorangehen. Was also jeder Bezeichnung ursprünglich zugrunde liegt, ist evident. Und wir würden das Gesuchte gar nicht suchen, wenn wir davon kein Vorwissen hätten, wie z.B. bei ,Ist das in der Ferne Stehende ein Pferd oder ein Rind?‘ Denn irgendwann vorher muss man mittels eines Vorbegriffs die Form eines Pferds oder die eines Rinds kennengelernt haben.

Übersetzer: Perkams in Anlehnung an Hülser