Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Cicero: Die Pflichten I 108

Original:

Cicero gibt ein Kriterium für ein angemessenes Urteil über mögliches Handeln an
Duplex est enim vis animorum atque naturae: una pars in appetitu posita est, quae est ὁρμή Graece, quae hominem huc et illic rapit, altera in ratione quae docet et explanat quid faciendum fugiendumque sit. Ita fit, ut ratio praesit, appetitus obtemperet. Omnis autem actio vacare debet temeritate et neglegentia, nec vero agere quicquam cuius non possit causam probabilem adducere; haec est enim fere descriptio officii.

Quelle: Cicero: Die Pflichten /De officiis (off.) I 108.
Edition: N.N.

Auslegung:

- Annäherung an stoische, höchst einflussreiche Redeweise: Unterschied von Vernunft und Streben, Forderung der Herrschaft der Vernunft, Prinzip, Gutes zu tun und Böses zu lassen als deren Prinzip
- charakteristisch für den Akademiker ist jedoch die Zufriedenheit mit einem wahrscheinlichen Grund: Keine Nachlässigkeit, aber auch keine Sicherheit
→ Gegensatz zu den Stoikern, deren Weiser sicher Bescheid weiß
- Faktisch wiederum Nähe zu aristotelischen Position, insbesondere der jeweils im Einzelfall treffenden Kraft der phronesis
- Wichtige Wirkung von De officiis bzw. Garve auf Kant: Ablehnung dieses Modells und scharfe Unterscheidung zwischen pflichtgemäßen Handlungen und solchen aus Pflicht

Themen:

  • Handleln
  • Vernunft
  • Antike Philosophie II

Denn die Kraft der Seelen und der Natur ist zweifach: ein Teil liegt im Streben, das auf Griechisch ,hormē‘ heißt: Er reißt den Menschen hierhin und dorthin; der andere liegt in der Vernunft, die lehrt und erklärt, was zu tun und zu meiden ist. Das geschieht so, dass die Vernunft voransteht, das Streben gehorcht. Jede Handlung muss aber frei sein von Unklarheit und Nachlässigkeit, und es darf auch niemand etwas tun, wofür er nicht einen wahrscheinlichen Grund angeben kann. Dies ist nämlich in etwa eine Beschreibung der Pflicht.

Übersetzer: N.N.