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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Plotin: Enneade I 7 [54], 1, 7-10. 22-27; 2, 1f

Original:

Ἐπιστροφή (epistrophē) – Das Eine bzw. Gute als Ziel für das Streben alles Seienden
[1] εἰ οὖν τι μὴ πρὸς ἄλλο ἐνεργοῖ ἄριστον ὂν τῶν ὄντων καὶ ἐπέκεινα τῶν ὄντων, πρὸς αὐτὸ δὲ τὰ ἄλλα, δῆλον, ὡς τοῦτο ἂν εἴη τὸ ἀγαθόν, δι᾿ ὃ καὶ τοῖς ἄλλοις ἀγαθοῦ μεταλαμβάνειν ἔστι· [...] οὕτω γὰρ καὶ ἀληθὲς τὸ οὗ πάντα ἐφίεται.
[2] δεῖ οὖν μένειν αὐτό, πρὸς αὐτὸ δὲ ἐπίστρέφειν πάντα, ὥσπερ κύκλον πρὸς κέντρον ἀφ᾿ οὗ πᾶσαι γραμμαί. καὶ παράδειγμα ὁ ἥλιος ὥσπερ κέντρον ὢν πρὸς τὸ φῶς τὸ παρ᾿ αὐτὸ ἀνηρτήμένον πρὸς αὐτόν· πανταχοῦ γοῦν μετ᾿ αὐτοῦ καὶ οὐκ ἀποτέτμηται· [...]
[3] Τὰ δὲ ἄλλα πάντα πρὸς αὐτὸ πῶς; ἢ τὰ μὲν ἄψυχα πρὸς ψυχήν, ψυχὴ δὲ πρὸς αὐτὸ διὰ νοῦ.

Quelle: Plotin: Enneade /Enneade (enn.) I 7 [54], 1, 7-10. 22-27; 2, 1f.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.

Auslegung:

Der vorliegende Textauszug erläutert den Gedanken der Rückkehr (epistrophē), neben dem Hervorgehen, das im Zitat Nummer 267 erläutert wurde, einen weiteren Aspekt der Dynamik des neuplatonischen Kosmos: Ebenso wie alles in steter Bewegung ist, weil es vom Einen ausgeht, ist es auch in steter Bewegung, weil es zum Einen zurückstrebt. Gerade bei dieser Rückkehr tritt das Eine dabei als „das Gute“ hervor. Diese Bezeichnung, die von der platonischen Idee des Guten inspiriert ist, wird hier mit Aristoteles’ Aussage vom Beginn der Nikomachischen Ethik verbunden, dass alles zum Guten strebt. Dabei wird die Bedeutung des Texts allerdings deutlich verändert: Während Aristoteles meint, dass alles, was strebt, sich zu etwas für gut Gehaltenem hin bewegt, meint Plotin, dass alles zum real Guten, also dem Einen strebt. Dieses ist selbst so vollkommen, dass es zu nichts anderem mehr hinstrebt. Im zweiten Punkt entfaltet Plotin ein Bild vom Kosmos, der durch die Sonne so erleuchtet wird, dass das Sonnenlicht auf allen Stufen des Kosmos in steter Verbindung zur Sonne bleibt. Auf diese Weise zeigt sich in der Dynamik die bleibende Einheit des neuplatonischen Kosmos.

Themen:

  • Das Eine
  • Das Seiende
  • Seele
  • Gutes
  • Gott und die Welt
  • Antike Philosophie II
  • Hervorgehen und Rückkehr
  • Neuplatonismus

[1] Wenn also etwas nicht in Richtung auf etwas anderes aktiv ist, weil es [selbst] das Beste alles Seienden ist und jenseits des Seienden, die anderen aber in Richtung auf dieses [aktiv sind], dann ist klar, dass dieses das Gute ist, durch das auch den anderen ermöglicht wird, am Guten teilzuhaben. [...] Denn so ist es auch wirklich das, "wonach alles strebt" (Aristoteles, Nikomachische Ethik I 1, 1094a 3).
[2] Es ist also nötig, dass es selbst feststeht, dass sich aber alles zu ihm zurückwendet, so wie ein Kreis zu dem Zentrum, von dem alle Linien ausgehen. Und ein Beispiel ist die Sonne, die wie ein Zentrum ist im Verhältnis zu dem von ihr stammenden Licht, das an ihr hängt; überall ist es also mit ihr und nicht von ihr abgetrennt. [...]
[3] Wie aber richtet sich alles andere auf dieses hin? Nun, das Unbeseelte auf die Seele hin, die Seele aber durch den Geist auf dieses hin.

Übersetzer: N.N.