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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Plotin: Enneade IV 8, 1, 1-11

Original:

Plotin entwickelt eine Grundfrage seiner Philosophie aus der eigenen Erfahrung einer mystischen Vereinigung mit dem Einen und berichtet selbst die Distanz von seinem Körper
a) Πολλάκις ἐγειρόμενος εἰς ἐμαυτὸν ἐκ τοῦ σώματος καὶ γινόμενος τῶν μὲν ἄλλων ἔξω, ἐμαυτοῦ δὲ εἴσω, θαυμαστὸν ἡλίκον ὁρῶν κάλλος [...] ζωήν τε ἀρίστην ἐνεργήσας καὶ τῷ θείῳ εἰς ταὐτὸν γεγενημένος καὶ ἐν αὐτῷ ἱδρυθεὶς εἰς ἐνέργειαν ἐλθὼν ἐκείνην ὑπὲρ πᾶν τὸ ἄλλο νοητὸν ἐμαυτὸν ἱδρύσας,
b) μετὰ ταύτην τὴν ἐν τῷ θείῳ στάσιν εἰς λογισμὸν ἐκ νοῦ καταβὰς ἀπορῶ, [...] ὅπως ποτέ μοι ἔνδον ἡ ψυχὴ γεγένηται τοῦ σώματος τοῦτο οὖσα, οἷον ἐφάνη καθ᾿ ἑαυτήν.

Quelle: Plotin: Enneade /Enneade (enn.) IV 8, 1, 1-11.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.

Auslegung:

Dieser Text demonstriert die erfahrungsgesteuerte Dimension des plotinischen Philosophierens. Offenbar hat Plotin mehrmals in seinem Leben eine mystische Erfahrung gemacht (Zitat Nummer 255), die er hier als Vereinigung mit dem Göttlichen schildert, womit offenbar das Göttliche in seiner höchsten Form, also das Eine, gemeint ist. In Absatz b) wird deutlich, dass Plotin diese Erfahrung zum Anlass einer Frage nimmt: Aus der Überzeugung heraus, in der Vereinigung mit dem Einen sein eigentliches Sein erfahren zu haben, fragt er noch einmal, wie er von hier in den Körper gekommen ist. Die mystische Erfahrung bleibt also nicht als solche stehen, sondern wird gleich zum Anlass für philosophische Reflexion.

Themen:

  • Seele
  • Antike Philosophie II
  • Aufstieg (der Seele)
  • Das Eine
  • Ich/Ich-Bewusstsein
  • Mystik
  • Neuplatonismus
  • Tod und Sterben

a) Immer wieder wenn ich aus dem Leib aufwache in mich selbst, bin ich außerhalb des anderen, aber innerhalb von mir selbst, sehe eine wunderbar gewaltige Schönheit [...], verwirkliche höchstes Leben, bin in eins mit dem Göttlichen und auf seinem Fundament gegründet, denn ich bin gelangt zur höchsten Wirksamkeit und habe mich selbst gegründet über allem, was sonst geistig ist:
b) Nach diesem Stillestehen im Göttlichen, wenn ich da aus dem Geist herniedersteige ins Überlegen – da frage ich mich: [...] Wie ist einst die Seele in mir in den Leib geraten, die doch das ist, was sie mir als ihr Sein an sich gezeigt hatte?

Übersetzer: Harder, leicht geändert von Matthias Perkams