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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Plotin: Enneade I 1 [53], 7, 1-6. 12-18

Original:

Eine Besonderheit der Philosophie Plotins stellt es dar, im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Natur des Menschen als erster, die Frage zu stellen, was das ,Ich‘ (bzw. ,Wir‘) ist
a) Ἢ τὸ συναμφότερον ἔστω τῆς ψυχῆς τῷ παρεῖναι οὐχ αὑτὴν δούσης τῆς τοιαύτης εἰς τὸ συναμφότερον ἢ εἰς θάτερον, ἀλλὰ ποιούσης ἐκ τοῦ σώματος τοῦ τοιούτου καί τινος οἷον φωτὸς τοῦ παρ᾿ αὐτὴν δοθέντος τὴν τοῦ ζῴου φύσιν ἕτερον τι, οὗ τὸ αἰσθάνεσθαι καὶ τὰ ἄλλα ὅσα ζῴου πάθη εἴρηται [...]. ὡς τὴν αἴσθησιν τὴν ἔξω εἴδωλον εἶναι ταύτης, ἐκείνην δὲ ἀληθεστέραν τῇ οὐσίᾳ οὖσαν εἰδῶν μόνων ἀπαθῶς εἶναι θεωρίαν. [...]
b) ἔνθα δὴ ἡμεῖς μάλιστα. τὰ δὲ πρό τούτων ἡμέτερα, ἡμεῖς δὴ τὸ ἐντεῦθεν ἄνω ἐφεστηκότες.

Quelle: Plotin: Enneade /Enneade (enn.) I 1 [53], 7, 1-6. 12-18.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.

Auslegung:

Zu den bedeutendsten philosophischen Leistungen Plotins gehört es, erstmals die Frage danach gestellt zu haben, was „Wir“ eigentlich sind, was also die Stufe des Menschseins ist, von der man am angemessensten sagen kann, das eigentliche Menschsein sei dort anzusiedeln. Plotin betont in diesem Text (b), dass dies für ihn nicht das aus Leib und Seele zusammengesetzte Wesen ist, sondern letztendlich die transzendente Seele, die sich für ihn mit dem Körper nur indirekt vereinigt hat. Das Vermögen der Seele, das den Körper beseelt, bezeichnet Plotin hier entweder als „Licht“ oder als „Abbild“, während er annimmt, dass die rationale Seele selbst stets die Distanz zum Körper wahrt. Sie ist damit der wahre Mensch und auch das wahre „Wir“ – so dass letztlich unsere Personalität für Plotin ganz außerhalb des Körpers anzusiedeln ist.

Themen:

  • Körper
  • Seele
  • Antike Philosophie II
  • Ich/Ich-Bewusstsein
  • Neuplatonismus
  • Urbild/Abbild
  • Natur (des Menschen)

a) Nun mag es das [aus Körper und Seele] Zusammengesetzte geben, vorausgesetzt, dass die in bestimmter Weise beschaffene Seele durch ihre Gegenwart nicht sich selbst dem Zusammengesetzten bzw. dessen anderem Teil zur Verfügung stellt, sondern aus dem in bestimmter Weise beschaffenen Körper und quasi einer Art Licht, das sie über sich selbst hinaus abgibt, die Natur des Lebewesens als etwas anderes herstellt, dem das sinnliche Wahrnehmen angehört und sonst alle genannten Empfindungen des Lebewesens. [...] Die äußere sinnliche Wahrnehmung ist folglich ein Abbild der Seele, während diese selbst in ihrem Sein wahrhaftiger und in empfindungsfreier Weise ausschließlich Schau von Formen ist. [...]
b) Hier sind wir mehr als irgendwo sonst. Was hingegen vor diesen kommt, ist unser; wir, wohlgemerkt, sind das von hier aus gesehen Obere und stehen an der Spitze des Lebewesens.

Übersetzer: Tornau, einschließlich der Hervorhebungen