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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Plotin: Enneade VI 8 (39), 6, 26-29. 36-38. 41-43

Original:

Auf die Frage, was wirklich frei ist, antwortet Plotin in dem Sinne, dass das, wonach wir streben – das Immaterielle bzw. letztlich das Eine – wahrhaft frei sein muss
a) τὸ ἄυλόν ἐστι τὸ ἐλεύθερον καὶ εἰς τοῦτο ἡ ἀναγωγὴ τοῦ ἐφ’ ἡμῖν καὶ αὕτη ἡ βούλησις ἡ κυρία καὶ ἐφ’ ἑαυτῆς οὖσα [...]. Ὅσα οὖν ἐκ ταύτης καὶ διὰ ταύτην, ἐφ’ ἡμῖν, ἔξω τε καὶ ἐφ’ αὑτῆς·ὃ αὐτὴ βούλεται καὶ ἐνεργεῖ ἀνεμποδίστως, τοῦτο καὶ πρῶτον ἐφ’ ἡμῖν.
b) Ὁ δὲ θεωρητικὸς νοῦς καὶ πρῶτος οὕτω τὸ ἐφ’ αὑτῷ, ὅτι τὸ ἔργον αὐτοῦ μηδαμῶς ἐπ’ ἄλλῳ, ἀλλὰ πᾶς ἐπέστραπται πρὸς αὑτὸν καὶ τὸ ἔργον αὐτοῦ αὐτὸς καὶ ἐν τῷ ἀγαθῷ κείμενος ἀνενδεὴς καὶ πλήρης ὑπάρχων καὶ οἷον κατὰ βούλησιν ζῶν·ἡ δὲ βούλησις ἡ νόησις, βούλησις δ᾿ ἐλέχθη, ὅτι κατὰ νοῦν.
c) ἡ γὰρ λεγομένη βούλησις τὸ κατὰ νοῦν μιμεῖται. Ἡ γὰρ βούλησις θέλει τὸ ἀγαθόν·τὸ δὲ νοεῖν ἀληθῶς ἐστιν ἐν τῷ ἀγαθῷ. Ἔχει οὖν ἐκεῖνος, ὅπερ ἡ βούλησις θέλει [...].
d) Εἰ οὖν βουλήσει τοῦ ἀγαθοῦ τίθεμεν τὸ ἐφ’ ἡμῖν, τὸ ἤδη ἐν ᾧ θέλει ἡ βούλησις εἶναι ἱδρυμένον πῶς οὐ τὸ ἐφ’ αὑτῷ ἔχει; Ἢ μεῖζον εἶναι θετέον, εἰ μή τις ἐθέλει εἰς τοῦτο ἀναβαίνειν τὸ ἐφ’ αὑτῷ.

Quelle: Plotin: Enneade /Enneade (enn.) VI 8 (39), 6, 26-29. 36-38. 41-43.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.

Auslegung:

Dieser Text stellt Plotins Beitrag zum Thema Freiheit zusammengefasst dar. Wie man sieht, verbindet Plotin das in der Kaiserzeit immer wieder diskutierte Adjektiv „frei“ vor allem mit der Selbstbestimmung und Selbstkonstitution, die allein den höheren Hypostasen seines Kosmos zukommt. Das ist deswegen so, weil Freiheit bzw. das „bei uns liegende“ für Plotin vor allem bedeutet, von nichts anderem abhängig zu sein, zu dem hin man strebt. Daher ist jedes Wollen, das in aristotelischer Tradition immer ein Streben ist, an sich immer noch irgendwie unfrei. Dies verdeutlicht Plotin besonders klar in b) am theoretischen und höchsten Verstand, der ganz in sich selbst ruht und damit das in a) genannte Prinzip beispielhaft erklärt. In höchstem Maße trifft diese Selbstkonstitution freilich auf das Eine zu, auf das das denkende Wollen des Geistes noch gerichtet ist. Der Punkt c) behandelt hingegen unser Wollen, das ein Abbild des geistigen Wollens ist. In Punkt d) wird noch einmal festgehalten, dass das bei uns Liegende in je höherem Maße so ist, je mehr es bei sich selbst ist (und unsere Alltagserfahrung übersteigt, bei der wir stets wegen etwas anderem handeln).

Themen:

  • Freiheit
  • Geist (Nous)
  • Antike Philosophie II
  • Wille

a) Das Immaterielle ist das Freie, und auf dieses richtet sich das Heraufführen des bei uns Liegenden (to eph’ hēmin), und dieses [Heraufführen] ist eben dieses Wollen, das entscheidende und von sich selbst abhängende [...]. Alles was aus diesem [Wollen] heraus und um seinetwillen geschieht, liegt bei uns, außerhalb und innerhalb seiner. Was es will und ungehindert wirkt, dies ist auch in erster Linie bei uns liegend.
b) Der theoretische und erste Geist ist so das bei sich selbst Liegende, dass sein Werk keinesfalls bei einem anderen liegt, sondern als ganzer ist er sich selbst zugewandt, und sein Werk ist er selbst, und er ruht bedürfnislos im Guten, und ist als erfüllter da und lebt gleichsam dem Wollen gemäß. Das Wollen aber ist das Denken, Wollen wurde es aber genannt, weil es dem Geist entsprechend erfolgt.
c) Denn das [von den Menschen] so genannte Wollen ahmt das dem Geist entsprechende nach. Denn das Wollen will das Gute; das Denken befindet sich aber wahrhaft im Guten. Jener besitzt also das [...].
d) Wenn wir also das bei uns Liegende im Wollen des Guten ansetzen, wie soll dann das, was schon in demjenigen feststeht, in dem das Wollen sein will, das bei uns Liegende nicht haben? Gewiss wird man ansetzen müssen, dass es größer ist, wenn nicht jemand das bei uns Liegende in dieses heraufführen will.

Übersetzer: Matthias Perkams