Original:
Plotin über die komplexe Natur der Seele
a) Ὁ μὲν γὰρ τὸ ἀναμάρτητον διδοὺς τῇ ψυχῇ λόγος ἕν ἁπλοῦν πάντη ἐτίθετο τὸ αὐτὸ ψυχὴν καὶ τὸ ψυχῇ εἶναι λέγων, ὁ δ᾿ ἁμαρτεῖν διδοὺς σύμπλεκει μὲν καὶ πρόστίθησιν αὐτῇ καὶ ἄλλο ψυχῆς εἶδος τὸ τὰ δεινὰ ἔχον πάθη.
b) Σύνθετος οὖν καὶ τὸ ἐκ πάντων ἡ ψυχὴ αὐτὴ γίνεται καὶ πάσχει δὴ κατὰ τὸ ὅλον καὶ ἁμαρτάνει τὸ σύνθετον καὶ τοῦτὸ ἐστι τὸ διδὸν δίκην αὐτῷ, οὐκ ἐκεῖνο.
Quelle:
Plotin:
Enneade
/
Enneade
(
enn.)
I 1 [53], 12, 6-12.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.
Auslegung:
Dieser Text wirft die Frage auf, wie ein schlechtes Handeln, das hier als „einen Fehler machen“ oder „sündigen“ (hamartanein) beschrieben wird, eigentlich der Seele zugeschrieben werden kann. In Plotins Gedankengebäude ist das deswegen ein Problem, weil Plotin einerseits die Möglichkeit der Verfehlung mit der Materie begründet (Zitat Nummer 273) und andererseits meint, dass die Seele als solche nur indirekt, über eine Art Seelenspur, eine Verbindung mit dem Körper eingeht, während sie selbst ganz transzendent bleibt (Zitat Nummer 271). Daher die Unterscheidung in a): Wenn man sagt, die Seele sei fehlerlos bzw. sündige nicht, meint man die Seele selbst in ihrer transzendenten Existenz („das Seele-Sein“); wenn man hingegen sagt, sie sündige, dann bezieht man die Form von Seele bzw. die Spur der Seele ein, die tatsächlich mit dem Körper verbunden ist. Richtig verstanden, sind also beide Aussagen richtig. Im Sinne der zweiten Alternative muss man dann aber sagen, es gehe nicht um die Seele in ihrer transzendenten Einfachheit, sondern um die Seele als etwas Zusammengesetztes, nämlich aus dem Transzendenten und dem mit dem Körper verbundenen Teil.
Themen:
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Seele
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Antike Philosophie II
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Das Böse
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Das Schlechte
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Neuplatonismus