Original:
Plotin erwägt , ob der Fall der Seele, d.h. ihre Verstrickung in die Körperwelt bzw. ihre Wendung zum Schlechten hin, überhaupt auf eine freie Entscheidung zurückgeht
τὰ δὲ δι᾿ αὐτὰ ἔχοντα κίνησιν αὐτεξούσιον ζῷα ῥέποι ἂν ὁτὲ μὲν πρὸς τὰ βελτίω, ὁτὲ δὲ πρὸς τὰ χείρω. τὴν δὲ πρὸς τὰ χείρω τροπὴν παρ᾿ αὐτοῦ ζητεῖν ἴσως οὐκ ἄξιον· ὀλίγη γὰρ τροπὴ κατ᾿ ἀρχὰς γενομένη προιοῦσα ταύτῃ πλέον καὶ μεῖζον τὸ ἁμαρτανόμενον ἀεὶ ποιεῖ· καὶ σῶμα δὲ σύνεστι καὶ ἐξ ἀνάγκης ἐπιθυμία· καὶ παροφθὲν τὸ πρῶτον καὶ τὸ ἐξαίφνης καὶ μὴ ἀναληφθὲν αὐτίκα καὶ αἵρεσιν εἰς ὅ τις ἐξέπεσεν εἰργάσατο. ἕπεταί γε μὴν δίκη.
Quelle:
Plotin:
Enneade
/
Enneade
(
enn.)
III 2, 4, 36-44.
Edition: Plotini Opera. Edidit P. Henry / H.-R. Schwyzer. Tomus 1–3, Oxford 1964–1977.
Auslegung:
Dieses Zitat erklärt die Möglichkeit der bösen Handlung in der Seele, im Einklang mit Zitat Nummer 273, gleichsam zu einer Notwendigkeit. Zwar gesteht Plotin zu, dass wir einzelne Handlungen durchaus aus eigener Entscheidung begehen können, wofür er den griechischen Fachterminus „das Selbstbestimmte“ (to autexousion) verwendet. Für die eigentliche Ursache dieser Möglichkeit, die ursprüngliche Abwendung der Seele vom Einen und vom Geist aufgrund des Körpers, gilt dies jedoch nicht: Denn hier ist die erste Zuwendung der Seele zum Körper so unmerklich, dass sie letztlich gar nicht erkannt und vermieden werden kann. Dazu ist zu bedenken, dass für Plotin ja aus der Güte der Seele selbst folgt, dass sie die Materie so ordnen will, dass eine gute Körperwelt entsteht. Sie muss sich also der Körperwelt zuwenden, und es scheint Plotin faktisch unmöglich, dass dies so geschieht, dass die Seele keine Begierde entwickelt und damit die Fähigkeit, sich zu verfehlen erhält. Diese Wahl resultiert daher nicht aus freier Entscheidung, sondern ist fast schon eine Art Automatismus, und insofern kann die Materie ihren schädlichen Einfluss ausüben.
Themen:
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Seele
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Antike Philosophie II
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