Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Gregor von Nazianz: Oratio 27 Sources chrétiennes 250, 76f

Original:

Der christliche Denker Gregor von Nazianz diskutiert die Bedingungen des „Philosophierens über Gott“

Der kappadokische Vater Gregor von Nazianz bemüht sich, indem er Bedingungen des ,Philosophierens über Gott‘ nennt, dieses als Aktivität einer Elite innerhalb des Christentums darzustellen, die sich – auf eine ähnliche (vom Platonismus inspirierte) Weise, wie es Proklos schildert – auf einen solchen Aufstieg besonders vorbereiten kann

Οὐ παντός, ὦ οὗτοι, τὸ περὶ θεοῦ φιλοσοφεῖν, οὐ παντός· οὐχ οὕτω τὸ πρᾶγμα εὔωνον καὶ τῶν χαμαὶ ἐρχομένων. προσθήσω δέ, οὐδὲ πάντοτε, οὐδὲ πᾶσιν, οὐδὲ πάντα, ἀλλ’ ἔστιν ὅτε, καὶ οἷς, καὶ ἐφ’ ὅσον. οὐ πάντων μέν, ὅτι τῶν ἐξητασμένων καὶ διαβεβηκότων ἐν θεωρίᾳ, καὶ πρὸ τούτων καὶ ψυχὴν καὶ σῶμα κεκαθαρμένων, ἢ καθαιρομένων, τὸ μετριώτατον. μὴ καθαρῷ γὰρ ἅπτεσθαι καθαροῦ τυχὸν οὐδὲ ἀσφαλές, ὥσπερ οὐδὲ ὄψει σαθρᾷ ἡλιακῆς ἀκτῖνος. [...] δεῖ γὰρ τῷ ὄντι σχολάσαι, καὶ γνῶναι θεόν· [...] τίνα δὲ φιλοσοφητέον, καὶ ἐπὶ πόσον; ὅσα ἡμῖν ἐφικτά, καὶ ἐφ’ ὅσον ἡ τοῦ ἀκούοντος ἕξις ἐφικνεῖται καὶ δύναμις.

Quelle: Gregor von Nazianz: Oratio 27 /Orationes (or.) Sources chrétiennes 250, 76f.
Edition: N.N.

Auslegung:

Gregor von Nazianz, in der orthodoxen Kirche auch als „Gregor der Theologe bekannt, ist neben Basileios dem Großen und Gregor von Nyssa (vgl. PZ 285 und 711) einer der so genannten „kappadokischen Väter“, die das theologische Denken der orthodoxen (griechischen, russischen, serbischen etc.) Kirchen wesentlich prägte. Dabei werden viele philosophische Gedanken aufgenommen, häufig, ohne die Übernahme direkt zu erwähnen.
In diesem Textauszug nennt sich Gregor die notwendigen Bedingungen für das ,Philosophieren über Gott‘. Dieses erscheint als Aktivität einer Elite innerhalb des Christentums, die sich, nicht nur im Mönchstum, auf einen Aufstieg zur möglichst unverfälschten Erkenntnis Gottes geistig vorbereiten möchte. Das Platon-Zitat erscheint dabei in einem ganz ähnlichen Kontext wie beim Neuplatoniker Proklos (PZ 280) und weist darauf hin, dass spätantike Platoniker und Christen in analoger Weise bemüht sind, sich auf geistige Weise über mehrere Erkenntnisstufen (vgl. Platons, Symposion) zum Göttlichen hinzubewegen.

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Gott
  • Freiheit
  • Christentum und Philosophie
  • Mystik
  • Platon
  • Aufstieg (der Seele)

Nicht Sache eines jeden, o ihr Anwesenden, ist das Philosophieren über Gott, nicht eines jeden. Diese Sache ist nicht so wohlfeil und zum niedrig Gehenden gehörig. Ich will hinzufügen: Weder überall, noch für alle, noch alles davon, sondern manchmal, und für bestimmte Leute, und bis zu einem gewissen Grad. [Sie ist] nicht Sache von allen, denn sie gehört den Geübten, den in der Theorie Fortgeschrittenen, die auch hiervor die Seele und den Körper gereinigt haben oder ihn reinigen, um das wenigste zusagen. ,Ein Unreiner nämlich berührt das Reine‘ (Platon, Phaidon 67b) zufällig und ohne Gewissheit, so wie auch die schwache Sehkraft nicht den Sonnenstrahl. [...] Man muss sich nämlich für das Seiende Ruhe nehmen und Gott erkennen. [...] Wer aber soll philosophieren, und bis zu welchem Grad? Soweit es für uns erreichbar ist und soweit die Disposition und Kraft des Hörenden gelangt.

Übersetzer: Matthias Perkams