Original:
Augustinus berichtet, wie er mithilfe platonischer Schriften einen Weg zum christlichen Glauben findet
[1] Procurasti mihi per quendam hominem inmanissimo tyfo turgidum quosdam Platonicorum libros ex graeca lingua in latinam versos,
[2] et ibi legi non quidem his verbis, sed hoc idem omnino multis et multiplicibus suaderi rationibus, quod ,in principio erat verbum et verbum erat apud deum et deus erat verbum‘ [...] sed quia ,verbum caro factum est et habitavit in nobis‘ non ibi legi. [...]
[3] Et inde admonitus redire ad memet ipsum intravi in intima mea duce te et potui, quoniam ,factus es adiutor meus‘.
[4] Intravi et vidi qualicumque oculo animae meae supra eundem oculum animae meae, supra mentem meam lucem incommutabilem, non hanc vulgarem et conspicuam omni carne nec quasi ex eodem genere grandior erat, tamquam si ista multo multoque clarius claresceret totumque occuparet magnitudine. non hoc illa erat, sed aliud, valde aliud ab omnibus.
Quelle:
Augustinus von Hippo:
Bekenntnisse
/
Confessiones
(
conf.)
VII 13f. 16.
Edition: Sancti Aurelii Augustini Confessionum libri XIII. Quos post M. Skutella iterum edidit L. Verheijen. Editio altera (CCL 27), Turnhout 1990.
Auslegung:
Hier berichtet Augustinus einen weiteren Schritt seines Weges zur Bekehrung zum Christentum, der wiederum mit der Lektüre philosophischer Bücher zu tun hat (vgl. Zitat Nummer 288). Diesmal ist die Rede von (neu-)platonischen Schriften, die ihm geholfen haben, einen Weg zum göttlichen Licht in sich selbst zu finden, und die auf diese Weise einen Weg zum christlichen Glauben vorbereiteten. Gemeint sind neuplatonische Schriften, die Marius Victorinus kurz vorher ins Lateinische übersetzt hatte, zumeist wahrscheinlich Werke von Plotin und Porphyrios. Da diese Übersetzungen heute verloren sind, ist der genaue Umfang dieser Schriften nicht bekannt. Zur Einführung dieser Schriften benutzt Augustinus ein paar typisch christliche Philosophen-Klischees, namentlich die Annahme, sie seien „stolz“ bzw. arrogant.
Entscheidend ist jedoch die Feststellung, der Inhalt dieser Schriften sei im Wesentlichen, außer in Bezug auf die Menschwerdung Gottes in Christus, identisch mit Grundideen des Christentums. Der christliche Referenztext ist der Beginn des Johannesevangeliums, der im Text immer wieder zitiert wird. Mit „das Wort“ meint der Autor des Johannesevangeliums Jesus Christus, der schon bei der Schöpfung bei Gott war (insofern er Gott ist) und dann „Fleisch“ (d.h. Mensch) geworden ist. Für die Interpretation des Augustinus ist entscheidend, dass er auf diese Weise auf sich selbst zurückgewendet wird. Das nimmt nicht nur den neuplatonischen Gedanken der Rückkehr auf (vgl. Zitat Nummer 268), sondern betont einmal mehr, dass Gott im inneren des Menschen zu finden ist (vgl. Zitat Nummer 766). Die platonische Philosophie prägt also Augustinus’ Verständnis der Menschwerdung wesentlich mit.
Themen:
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Antike Philosophie II
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Gott
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Platonismus
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Freiheit
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Wege des Ich
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Bibel
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Christentum und Philosophie
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Erkenntnis
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Gottsuche
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Mensch
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Neuplatonismus
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Selbsterkenntnis
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Bibel und Philosophie