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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung 2, 20f. (p. 239, 6-240, 16 Green)

Original:

Augustinus stellt die Frage nach der Selbstexistenz als Grundlage seiner Reflexionen über den Willen
Prius abs te quaero, ut de manifestissimis capiamus exordium, utrum tu ipse sis. An fortasse tu metuis, ne in hac interrogatione fallaris? Cum itaque, si non esses, falli omnino non posses. – Perge potius ad cetera. – Ergo manifestum est esse te nec tibi aliter manifestum essset nisi uiueres, id quoque manifestum est uiuere te. Intellegisne duo ista esse uerissima? – Prorsus intellego. – Ergo etiam tertium hoc manifestum est, hoc est intellegere te?

Quelle: Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung /De libero arbitrio (lib. arb.) 2, 20f. (p. 239, 6-240, 16 Green).
Edition: De libero arbitrio libri tres, cura et studio W. M. Green, in: Sancti Aurelii Augustini Contra Academicos; De beata vita; De ordine; De magistro; De libero arbitrio = Aurelii Augustini Opera 2, 2 = CCSL 29, Turnhout 1970, 205-321; 346-352.

Auslegung:

Typisch für Augustinus sind Reflexionen, die aus der eigenen Selbsterfahrung auf notwendige ontologische Folgen schließen. In diesem Sinne nimmt er bereits in der Frühschrift De libero arbitrio (Die freie Entscheidung) Descartes’ Cogito-Argument in gewissem Sinne vorweg: Bei einer Reflexion auf sich selbst kommt heraus, dass man notwendigerweise ist. Augustinus leitet freilich auf diese Weise nicht einen apriorischen Standpunkt aus der Selbstgewissheit her, sondern die drei neuplatonischen Grundbegriffe Sein, Leben und Denken/Erkennen. Insofern könnte man meinen, das Denken werde nicht, wie bei Descartes, direkt, sondern erst im dritten Schritt bewiesen – aber ist es nicht in der Erfahrung der eigenen Irrtumsfähigkeit bereits enthalten?

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Das Seiende
  • Freiheit
  • Cogito-Argument
  • Ich/Ich-Bewusstsein

Augustinus: Zuerst frage ich dich, um vom Offensichtlichsten den Anfang zu nehmen, ob du selbst bist. Oder fürchtest du vielleicht, dass du in dieser Frage getäuscht wirst? Denn wenn Du nicht wärest, könntest du deswegen überhaupt nicht getäuscht werden.
Evodius: Schreite ruhig zum Weiteren voran.
A.: Weil also offensichtlich ist, dass du bist, und es dir nicht anders klar wäre, wenn Du nicht lebtest, ist auch dies klar, dass du lebst. Erkennst du, dass diese zwei am allerwahrsten sind?
E.: Ganz und gar verstehe ich das.
A.: Also ist auch dieses dritte offensichtlich, d.h. dass du erkennst.

Übersetzer: Matthias Perkams