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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung I 82f. 86 (p. 227, 27-36; 228, 54-57 Green)

Original:

Augustinus fragt nach dem Willen und nach dem guten Willen und appelliert so an die Selbsterfahrung des Gesprächspartners
[1] Quaero abs te, sit ne aliqua nobis voluntas. – [...] Negari non potest habere nos voluntatem. [...] –
[2] Dic etiam [...], utrum et bonam voluntatem habere te sentias. – Quid est bona voluntas? – [...] Modo tu vide, utrum rectam honestamque vitam non adpetas [...] aut certe negare audeas, cum haec volumus, nos habere voluntatem bonam. [...]
[3] Quid enim tam in voluntate quam ipsa voluntas est? Quam quisque cum habet bonam, id certe habet, quod terrenis omnibus regnis voluptatibusque omnibus corporis longe anteponendum sit.

Quelle: Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung /De libero arbitrio (lib. arb.) I 82f. 86 (p. 227, 27-36; 228, 54-57 Green).
Edition: De libero arbitrio libri tres, cura et studio W. M. Green, in: Sancti Aurelii Augustini Contra Academicos; De beata vita; De ordine; De magistro; De libero arbitrio = Aurelii Augustini Opera 2, 2 = CCSL 29, Turnhout 1970.

Auslegung:

Ausgangspunkt von Augustinus’ Willensphilosophie ist seine Herausstellung des Vorhandenseins eines guten Willens im Menschen in der Frühschrift De libero arbitrio (Die freie Entscheidung). Hier nimmt er die ursprünglich aristotelische Idee auf, dass Menschen in allem, was sie tun, nach Glück streben, entwickelt sie aber zum Willensbegriff hin weiter. Dabei greift er wiederum auf seine Methode zurück, die menschliche Selbsterfahrung daraufhin zu überprüfen, ob wir in uns einen Willen bzw. einen Willen zum Guten finden (Der freilich nicht bedeutet, dass wir deswegen das Gute immer auch tun!). Während Augustinus bis hierhin Grundanliegen antiker Ethik reformuliert, nämlich dass alles nach dem Guten strebt, ist Punkt [3] durchaus eine Neuerung, weil hier der Wille als dasjenige identifiziert wird, das ausschließlich in der Macht der Person liegt. Diese Idee ist von stoischen Ideen über die Zustimmung inspiriert (vgl. Zitat Nummer 240).

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • guter Wille
  • Freiheit
  • Ich/Ich-Bewusstsein
  • Wille
  • Glück (Eudaimonie)

[1] Augustinus: Ich frage Dich, ob es bei uns irgendeinen Willen gibt.
Evodius: [...] Es kann nicht bestritten werden, dass wir einen Willen haben. [...]
[2] A. Sage auch [...], ob Du meinst, dass Du auch einen guten Willen hast.
E. Was ist ein guter Wille?
A. [...] Sieh nur, ob Du ein richtiges und ehrbares Leben nicht anstrebst [...] oder etwa zu bestreiten wagst, dass wir, wenn wir dies wollen, einen guten Willen haben. [...]
[3] Was nämlich liegt so sehr im Willen wie der Wille selbst? Ein jeder, der diesen als guten hat, hat gewiss das, was allen irdischen Königreichen und allen Lüsten des Körpers weit vorzuziehen ist.

Übersetzer: Matthias Perkams