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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat XII 6 (p. 518, 30-519, 24 Dombart/Kalb)

Original:

Augustinus erklärt den Grund dafür, warum die Engel um Luzifer von Gott abgefallen sind
[1] Initium quippe omnis peccati superbia. Noluerunt ergo ad illum custodire fortitudinem suam, et qui magis essent, si ei qui summe est adhaererent, se illi praeferendo id quod minus est praetulerunt. [...]
[2] Huius porro malae voluntatis causa efficiens si quaeratur, nihil invenitur. [...] Quoniam si res aliqua est, aut habet aut non habet aliquam voluntatem; si habet, aut bonam profecto aut malam. [...] Erit [...] bona voluntas causa peccati, quo absurdius putari nihil potest. Si autem res ista quae putatur facere voluntatem malam ipsa quoque habet voluntatem malam [...], causam primae malae voluntatis inquiro. [...] Sed illa prima est, quam nulla fecit.

Quelle: Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat /De civitate dei XII 6 (p. 518, 30-519, 24 Dombart/Kalb).
Edition: Augustinus, De civitate dei: Sancti Aurelii Augustini De civitate dei libri. Ad fidem quartae editio- nis Teubnerianae quam a. 1927–1928 curaverunt G. Dombart / A. Kalb paucis emendatis mutatis additis. Tomus 1–2 (CCL 47–48), Turnhout 1955.

Auslegung:

Augustinus diskutiert hier, ebenso wie beim Birnendiebstahl in den Bekenntnissen (Zitat Nummer 293), einen Grenzfall unserer gewohnten Vorstellungen des Wollens. Wiederum geht es darum, wie jemand etwas Schlechtes wollen kann, und zwar, ohne dass ein Motiv dafür erkennbar ist. Das ist nämlich bei den Engeln wie dem berühmten Luzifer der Fall, die nach einem biblischen Bericht von Gott abgefallen sind: Als Engel sollten sie ja keinen irdischen Versuchungen unterliegen, wie wir das tun, und daher ist auch kein Grund erkennbar, warum sie sich dem Bösen zugewandt haben sollten. Dabei setzt Augustinus voraus, dass alle Wesen von der Natur ihres Willens her zum Guten streben (vgl. Zitat Nummer 291). Das ist also unproblematisch. Anders aber der böse Wille: Welchen Grund kann es geben, Böses zu wollen? Und wenn es keinen Grund gibt, wie kann man es dann wollen? Augustinus betont, dass letztlich nicht ein anderer böser Wille die Ursache für den bösen Willen der Engel gewesen ist, sondern dass dieser Grund letztlich in einem „Nichts“ liegt, dass es also eigentlich keinen Grund für diesen Fall gab. Dieses „Nichts“ ist für Augustinus in gewissem Sinne das „Nichts“, aus dem die Welt geschaffen wurde, das als ein Rest von Unbestimmtheit, als ein Nicht-auf-das Gute-Festgelegt-Sein in jeder Kreatur, auch dem höchsten Engel verbleibt (vgl. auch Plotin zur Materie in Zitat Nummer 273).
Es wird somit zu dem Grund für den Hochmut, mit dem die Engel sich auf sich selbst konzentrierten, und damit auf ihre eigene, durch das Nichts eingeschränkte Güte ausrichteten und sich somit von der Güte Gottes abwandten. Das wird aber durch das anfängliche Bibelzitat eher angedeutet als explizit gesagt.

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Engel
  • Böser Wille
  • Freiheit
  • Sünde
  • Wille
  • Hochmut

[1] Gewiss ,ist der Anfang jeder Sünde der Stolz‘ (Jesus Sirach/Ecclesiasticus 10, 13). Die gefallenen Engel wollten also ihre Tapferkeit nicht für Gott bewahren, und die, die noch mehr wären, wenn sie dem angehangen hätten, der am höchsten ist, sie zogen das vor, was weniger ist, indem sie sich selbst ihm vorzogen. [...] [2] Wenn für diesen schlechten Willen nun überhaupt eine Ursache gesucht wird, dann wird nichts gefunden. [...] Denn wenn es irgendein Ding ist, dann hat dies entweder einen Willen oder es hat keinen; wenn es einen hat, dann entweder einen guten oder einen schlechten [...]. Da soll ein guter Wille zur Ursache der Sünde werden – etwas Absurderes lässt sich nicht vorstellen. Wenn aber das Ding, von dem man annimmt, es bewirke den bösen Willen, auch selbst einen bösen Willen hat, [...] dann untersuche ich die Ursache für diesen bösen Willen. [...] Aber dieser erste ist einer, den keiner bewirkt hat.

Übersetzer: Matthias Perkams