Original:
Augustinus beschreibt die Zerrissenheit seines Wollens zu dem Zeitpunkt, als er sich entschieden hatte, Christ zu werden
[1] Velle meum tenebat inimicus et inde mihi catenam fecerat et constrinxerat me. quippe ex voluntate perversa facta est libido, et dum servitur libidini, facta est consuetudo, et dum consuetudini non resistitur, facta est necessitas. [...]
[2] Voluntas autem nova, quae mihi esse coeperat, ut te gratis colerem fruique te vellem, deus, certa iucunditas, nondum erat idonea ad superandam priorem vetustate roboratam.
[3] Ita duae voluntates meae [...] confligebant inter se atque discordando dissipabant animam meam. Sic intellegebam me ipso experimento id quod legeram, quomodo ,caro concupisceret adversus spiritum et spiritus adversus carnem‘.
Quelle:
Augustinus von Hippo:
Bekenntnisse
/
Confessiones
(
conf.)
VIII 10f.
Edition: Sancti Aurelii Augustini Confessionum libri XIII. Quos post M. Skutella iterum edidit L. Verheijen. Editio altera (CCL 27), Turnhout 1990.
Auslegung:
Augustinus, der auch (nicht ohne Widerspruch) als Erfinder des Begriffs „Willen“ gilt, schildert hier die Zerrissenheit seines eigenen Willens. Zwar neigte er dazu, Christ zu werden, aber ihm gelang es nicht, denn sein Wille erweist sich als verfestigt, wie er in Abschnitt [1] beschreibt. Zugleich erweist sich [2] der neue Wille als schwach, und so entsteht der in [3] geschilderte Konflikt. Letztlich führt eine solche Diskussion auf eine Ambivalenz, die im Willen selbst liegt. Gerade beim späten Augustinus erweist sich der Wille somit nicht als souveräne Entscheidungsinstanz, sondern ist so schwach, dass er einer Ausrichtung auf das Gute bedarf (vgl. Zitat Nummer 295). Beim frühen Augustinus, in „Über die Freiheit des Willens“ wird noch ganz anders über den guten Willen geredet (vgl. Zitat Nummer 291).
Themen:
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Antike Philosophie II
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Wille
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Freiheit
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Wege des Ich
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Selbsterkenntnis
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Begehren/Begierde
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Erfahrung
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Willensschwäche