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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Verschiedene Fragen an Simplikian I 15

Original:

Augustinus erläutert, wie die für das gute Handeln notwendige Gnade Gottes im Menschen wirkt
[1] Lex auget concupiscentiam ex prohibitione et reum obligat ex praevaricatione iubendo quod implere homines infirmitate non possunt, nisi se ad dei gratiam pietate convertant; et ideo sub illa esse dicuntur quibus dominatur, eis autem dominatur quos punit, punit autem praevaricatores omnes.
[2] Porro qui acceperunt legem praevaricant eam, nisi per gratiam consequantur posse quod iubet. Ita fit, ut non dominetur eis qui sub gratia sunt implentibus eam per caritatem.

Quelle: Augustinus von Hippo: Verschiedene Fragen an Simplikian /De diversis quaestionibus ad Simplicianum (quaest. Simpl. ) I 15.
Edition: Sancti Aurelii Augustini De diversis quaestionibus ad Simplicianum. Edidit A. Mutzenbecher (CCL 44), Turnhout 1970.

Auslegung:

Nachdem der junge Augustinus die Freiheit der menschlichen Entscheidung herausgearbeitet hat (Zitat Nummer 291), betont er im weiteren Verlauf zunehmend die Unfähigkeit des menschlichen Willen, Gutes zu vollbringen (Zitat Nummer 294), und betont schließlich, dass sie auf die Gnade Gottes ganz angewiesen seien (sog. „Gnadenlehre“ des Augustinus). Diese Position finden sich das erste Mal in dem Text, aus dem dieses Zitat stammt, nämlich in Augustinus’ Antworten auf die Fragen des Simplikian (um 396). Der Text bezieht sich auf das Siebte Kapitel des biblischen Römerbriefs, wo vom Konflikt des Menschen mit seinem schlechten Willen in Anbetracht der Forderungen des Gesetzes die Rede ist (Zitat Nummer 58). Augustinus liest dieses Kapitel jetzt als Ausdruck der absoluten Hilflosigkeit des Menschen, da dieser die Anforderung des Gesetzes gar nicht aus eigener Kraft, sondern nur durch Vertrauen in die Gnade Gottes erfüllen kann (für andere Auslegungen vgl. die Zitate Nummer 253 und 353).

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Gesetz
  • Handeln
  • Gnade Gottes
  • Freiheit
  • Wille
  • Römerbrief (Kapitel 7)

[1] Das Gesetz vergrößert die Begierde durch das Verbot und verpflichtet den durch Übertretung Schuldigen, indem es befiehlt, was die Menschen aus Schwäche nicht erfüllen können, wenn sie sich nicht aus Frömmigkeit zur Gnade Gottes bekehren. Daher wird von denen gesagt, sie seien unter dem Gesetz, die dieses beherrscht. Es beherrscht aber die, die es bestraft. Es bestraft aber alle Übertreter.
[2] Ganz allgemein übertreten die das Gesetz, die es angenommen haben, wenn sie nicht durch Gnade bekommen, das zu können, was es befiehlt. So kommt es, dass es die nicht beherrscht, die unter der Gnade stehen, es in Liebe erfüllen.

Übersetzer: Matthias Perkams