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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Die Dreieinigkeit V 6

Original:

Augustinus begründet, dass der aristotelische Begriff der „Substanz“ nicht auf Gott angewandt werden darf
[1] In rebus [...] creatis atque mutabilibus quod non secundum substantiam dicitur restat ut secundum accidens dicatur. Omnia enim accidunt eis, quae uel amitti possunt uel minui et magnitudines et qualitates, et quod dicitur ad aliquid sicut amicitiae, propinquitates, seruitutes, similitudines, aequalitates et si qua huiusmodi [...].
[2] In deo autem nihil quidem secundum accidens dicitur quia nihil in eo mutabile est; nec tamen omne quod dicitur secundum substantiam dicitur. Dicitur enim ad aliquid [...] quia et pater non dicitur pater nisi ex eo quod est ei filius et filius non dicitur nisi ex eo quod habet patrem [...].
[3] Quamobrem quamuis diuersum sit patrem esse et filium esse, non est tamen diuersa substantia quia hoc non secundum substantiam dicuntur sed secundum relatiuum, quod tamen relatiuum non est accidens quia non est mutabile.

Quelle: Augustinus von Hippo: Die Dreieinigkeit /De trinitate (trin.) V 6.
Edition: Sancti Aurelii Augustini De trinitate libri XV. Cura et studio W. J. Mountain auxiliante Fr. Glorie, Bd. 1-2 (CCSL 50-50A; Turnhout 1968.

Auslegung:

Bei seinem Versuch, die christliche Lehre von der Trinität Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist zu erklären, setzt sich Augustinus mit Aristoteles’ Kategorienlehre auseinander. Dabei spricht er die Probleme einer solchen Anwendung, die u.a. von Plotin aufgewiesen wurden, klar an. Daher verzichtet er darauf, das Verhältnis verschiedener menschlicher Personen zur Art „Mensch“ mit den Personen der Trinität zur Substanz Gottes zu vergleichen (vgl. Zitat Nummer 711 aus Gregor von Nyssa).
Stattdessen schlägt er eine Erweiterung des aristotelischen Schemas der zehn Kategorien vor: Da die Personen der Trinität weder Substanzen noch Akzidenzien im Sinne des Aristoteles sein können, müssen sie Relationen in Gott selbst sein, wie es z.B. die Bezeichnungen „Vater“ und „Sohn“ ausdrücken, die ja eine Relation aufzuweisen scheinen. Diese Relation kann aber nicht akzidentell sein, wie Aristoteles es beschrieb, sondern macht das Wesen der Gottheit selbst aus und gehört insofern zu dessen Wesen.

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Aristotelismus
  • Gott
  • Substanz
  • Trinität
  • Akzidenzien
  • Freiheit
  • Kategorien
  • Relation

[1] Bei den geschaffenen [...] und veränderlichen Dingen kann das, was nicht mit Bezug auf die Substanz ausgesagt wird, nur mit Bezug auf ein Akzidens von ihnen ausgesagt werden. Denn akzidentell kommt ihnen das zu, was entweder verloren oder verringert werden kann, Größen und Qualitäten, und das, was in Bezug auf etwas ausgesagt wird so wie Freundschaften, Nachbarschaften, Dienstverhältnisse, Ähnlichkeiten, Gleichheiten und Ähnliches [...].
[2] Bei Gott aber wird nichts gemäß einem Akzidens ausgesagt, weil nichts an ihm veränderlich ist; und doch wird nicht alles, was ausgesagt wird, mit Bezug auf die Substanz ausgesagt. Denn es wird etwas in Bezug auf etwas ausgesagt [...], weil ein Vater nicht Vater genannt wird, außer weil er einen Sohn hat, und ein Sohn nicht so genannt wird, außer weil er einen Vater hat. [...]
[3] Obwohl es daher einen Unterschied macht, ein Vater zu sein und ein Sohn zu sein, ist die Substanz doch nicht unterschieden, weil dies nicht gemäß der Substanz gesagt wird, sondern gemäß einer Relation, welche Relation aber kein Akzidens ist, denn sie ist nicht veränderlich.

Übersetzer: Matthias Perkams