Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Die Dreieinigkeit V 10

Original:

Augustinus schlägt eine neue Begrifflichkeit vor, um das Sein Gottes zu beschreiben, so dass er auf den Substanzbegriff verzichten kann
[1] Nefas est [...] dicere, ut subsistat et subsit deus bonitati suae atque illa bonitas non substantia sit vel potius essentia, neque ipse deus sit bonitas sua, sed in illo sit tamquam in subiecto.
[2] Unde manifestum est deum abusive vocari substantiam, ut nomine usitatiore intelligatur essentia, quod vere ac proprie dicitur, ita ut fortasse deum solum dici oporteat essentiam. Est enim vere solus, quia incommutabilis est idque suum nomen Moysi enuntiavit, cum ait: Ego sum qui sum, et dices ad eos: Qui est misit me ad vos.
[3] Sed tamen sive essentia dicatur quod proprie dicitur, sive substantia quod abusive, utrumque ad se dicitur, non relative ad aliquid. [...]
[4] Ideo si una essentia trinitas, una etiam substantia.

Quelle: Augustinus von Hippo: Die Dreieinigkeit /De trinitate (trin.) V 10.
Edition: Sancti Aurelii Augustini De trinitate libri XV. Cura et studio W. J. Mountain auxiliante Fr. Glorie, Bd. 1-2 (CCSL 50-50A; Turnhout 1968.

Auslegung:

Auch hier verändert Augustinus (wie in Zitat Nummer 296) das aristotelische Schema der Kategorien. Denn Gott kann nicht auf die Weise sein, wie Aristoteles die Substanz beschreibt. Denn eine Substanz, wie Aristoteles sie beschreibt, ist immer in der Lage, Akzidenzien aufzunehmen, also solche Eigenschaften, die nicht zu ihrem Wesen gehören. Das trifft aber auf Gott nicht zu. Daher schlägt Augustinus vor, das göttliche Sein nicht als Substanz zu bezeichnen, sondern als „Wesenheit“, um einen eigenen Terminus zu haben. Damit zeigt er sich einmal mehr wesentlich kritischer gegenüber der aristotelischen Terminologie als Gregor von Nyssa (Zitat Nummer 711).
In Punkt [3] und [4] betont er aber, dass damit das Sein Gottes nicht als ein vermindertes Sein angesehen werden soll, sondern als ein Sein im höchsten Maße, wie es sich Gott selbst aus dem brennenden Dornbusch heraus zugeschrieben hat (Exodus 3, 14; vgl. Zitat Nummer 251).

Themen:

  • Antike Philosophie II
  • Gott
  • Substanz
  • Trinität
  • Freiheit
  • Aristotelismus
  • Kategorien
  • Exodus 3 (14)

[1] Es ist [...] schändlich zu sagen, dass Gott vorhanden ist und seiner Güte zugrunde liegt, und dass diese Güte nicht eine Substanz ist, oder besser eine Wesenheit (essentia), und dass Gott selbst nicht seine Güte ist, sondern sie an ihm wie an einem Zugrundeliegenden ist.
[2] Von daher ist klar, dass Gott uneigentlich Substanz genannt wird, damit durch ein gebräuchlicheres Wort ,Wesenheit‘ verstanden wird, was er wahrhaft und spezifisch genannt wird, so dass vielleicht Gott allein Wesenheit genannt werden darf. Er ist es nämlich wahrhaft als Einziger, weil er unveränderlich ist und das dem Mose als seinen Namen verkündete, als er sagte: „Ich bin der, der ich bin, und du sollst zu Ihnen sagen: Der ist, hat mich zu euch geschickt“ (Exodus 3, 14).
[3] Aber trotzdem, gleich ob er Wesenheit genannt wird, wie man ihn spezifisch nennt, oder Substanz, wie man ihn uneigentlich nennt, beides wird er für sich genannt, nicht in Relation zu etwas. [...]
[4] Deshalb ist die Dreifaltigkeit, wenn sie eine einzige Wesenheit ist, auch eine einzige Substanz.

Übersetzer: Matthias Perkams