Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat I 22; 19, 4

Original:

Augustinus lehnt das römische Ideal einer Selbsttötung aus Geistesgröße ab
[1] Et quicumque hoc in se ipsis perpetraverunt, animi magnitudine fortasse mirandi, non sapientiae sanitate laudandi sunt. Quamquam si rationem diligentius consulas, ne ipsa quidem animi magnitudo recte nominabitur, ubi quisque non valendo tolerare vel quaeque aspera vel aliena peccata se ipse interemerit. [...]
[2] Quo modo ista non sunt mala, quae vincunt fortitudinis bonum [...], ut eandem vitam et dicat beatam et persuadeat esse fugiendam? [...] Utrum, obsecro, Cato ille patientia an potius inpatientia se peremit? Non enim hoc fecisset, nisi victoriam Caesaris patienter tulisset. [...] Magna vis est in eis malis, quibus iste naturae vincitur sensus, quo mors omni modo omnibus viribus conatibusque vitatur, et ita vincitur, ut, quae vitabatur, optetur appetatur et [...] ab homine ipso sibimet inferatur. Magna vis est in eis malis, quae fortitudinem faciunt homicidam.

Quelle: Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat /De civitate dei I 22; 19, 4.
Edition: Augustinus, De civitate dei: Sancti Aurelii Augustini De civitate dei libri. Ad fidem quartae editio- nis Teubnerianae quam a. 1927–1928 curaverunt G. Dombart / A. Kalb paucis emendatis mutatis additis. Tomus 1–2 (CCL 47–48), Turnhout 1955.

Auslegung:

Der erste Absatz dieses Textes aus dem ersten Buch von Augustinus’ Gottesstaat drückt seine Kritik an der Selbsttötung auf: In leicht ironischer Weise wird das Ideal anerkannt, dass große Personen sich selbst aus ihrer Geistesgröße heraus töten können. Im nächsten Satz wird ein solches Verhalten aber als irrational und damit als unphilosophisch abgekanzelt. Augustinus’ Position in dieser Frage wurde bereits von Platon vorbereitet, der ebenfalls die Selbsttötung ablehnte. Augustinus’ Auseinandersetzung mit dem römischen Ideal hat das Verdienst, idealisierte Vorstellungen darüber infrage zu stellen, ohne dass seine scharfe Ablehnung der Situation von Menschen in Suizidsituationen gerecht werden würde.

Themen:

  • Gesetz und Gewissen
  • Apologetik
  • Tod und Sterben
  • Selbsttötung/Suizid

[1] Und alle die, die dies [den Tod] sich selbst zufügten, sind vielleicht für ihre Geistesgröße zu bewundern, aber jedenfalls nicht für die Gesundheit ihrer Weisheit zu loben. Wenn du die Vernunft sorgfältiger zu Rate ziehst, wird man dies freilich nicht einmal zu Recht Geistesgröße nennen können, wenn sich jeder, der entweder irgendwelche Härten oder fremde Sünden nicht ertragen kann, selbst umbringt. [...]
[2] Wie soll das kein Übel sein, was das Gut der Tapferkeit besiegt [...], so dass diese dasselbe Leben zugleich glückselig nennt und davon überzeugt, es zu verlassen? [...] Hat, bitte, dieser Cato sich eher aus Geduld oder aus Ungeduld umgebracht? Das hätte er nämlich nicht getan, wenn er Caesars Sieg geduldig ertragen hätte. [...] Es liegt eine große Kraft in den Übeln, durch die der Sinn der Natur besiegt wird, durch den man den Tod auf jede Weise, mit allen Kräften und Bemühungen meidet, und zwar so besiegt wird, dass der, der gemieden wurde, gewünscht, erstrebt und [...] vom Menschen sich selbst zugefügt wird. Es liegt eine große Kraft in den Übeln, die die Tapferkeit zum Mörder machen.

Übersetzer: Matthias Perkams