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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Augustinus von Hippo: Bekenntnisse I 1 p. 1, 10-16

Original:

Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen ,Bekenntnissen‘ seinen Lebensweg
[1] Magnus es, domine, et laudabilis valde. Magna virtus tua et sapientiae tuae non est finis. et laudare te vult homo, aliqua portio creaturae tuae, et homo circumferens mortalitatem suam, circumferens testimonium peccati sui et testimomium, quia ,superbis resistis‘.
[2] Et tamen laudare te vult homo, aliqua portio creaturae tuae. tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te. [...]
[3] Sed quis te invocat nesciens te? aliud enim pro alio potest invocare nesciens. an potius invocaris, ut sciaris? quomodo autem invocabunt in quem non crediderunt? aut quomodo credunt sine praedicante? [...] quaeram te domine invocans te et invocem te credens in te.

Quelle: Augustinus von Hippo: Bekenntnisse /Confessiones (conf.) I 1 p. 1, 10-16.
Edition: Sancti Aurelii Augustini Confessionum libri XIII. Quos post M. Skutella iterum edidit L. Verheijen. Editio altera (CCL 27), Turnhout 1990.

Auslegung:

Augustinus, der bedeutendste lateinische Kirchenvater (354-430), legt in seinen Bekenntnissen (Confessiones) sein bisheriges Leben und seinen Weg einer Bekehrung zum Christentum vor Gott dar. Zu Beginn des Werkes beschreibt er sein unruhiges Streben zu Gott hin, in dem allein er die Ruhe der Glückseligkeit zu finden meint. Die Rede vom „Herz“ für das Innere des Menschen ist der alttestamentlichen Sprache entnommen. Das Streben nach Wissen, das sich in der Erkenntnis Gottes äußert, ist hingegen ein philosophisches Motiv. Insbesondere die neuplatonischen Ideen hinter dem Text sind noch deutlich zu erkennen: So wie bei Plotin (Zitat Nummer 268) alles zum Einen strebt, aus dem es hervorgegangen ist, so strebt für Augustinus die ganze Schöpfung zu Gott, der sie geschaffen hat. Zentral ist am Ende die an Platons Menon (Zitat Nummer 7) erinnernde Frage: Wie kann ich überhaupt Gott suchen oder zu ihm beten, ohne ihn irgendwie schon erkannt zu haben? Daher erwächst aus Texten wie diesem das klassische Ideal der mittelalterlichen lateinischen Philosophie: fides quaerens intellectum – der Glaube, der nach Verstehen sucht.

Themen:

  • Gott
  • Mensch
  • Mittelalterliche Philosophie
  • Antike Philosophie II
  • Christentum und Philosophie
  • Erkenntnis
  • Gebet
  • Gottsuche
  • Neuplatonismus

[1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du ,den Hochmütigen widerstehst‘ (Brief des Jakobus 4, 6).
[2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
[3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.

Übersetzer: Matthias Perkams