Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten III 26, p. 570, 12-18

Original:

Maimonides vertritt die Meinung, dass es für jedes Gebot des jüdischen Gesetzes einen rationalen Grund gibt, selbst wenn der nicht immer bekannt ist
اختلف أهل النظر... في تشريعنا بما شرع لنا. فإن ثم مَن لا يطلب لذلك علة أصلاً، ويقول أن الشرائع كلها تابعة لمجرّد المشيئة، وثم مَن يقول أن كل أمر ونهي منها تابع حكمة أو مقصود به غاية ما، وأن الشرائع كلها معللة، ومن أجل فائدة ما شرع بها. أما كونها كلها لها علة ونحن نجهل علل بعضها، ولا نعلم وجه الحكمة فيه. فهو مذهبنا كلنا الجمهور والخواص. ...


Quelle: Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten /Ḍalālat al-ḥāʾirīn /Dux neutrorum sive perplexorum III 26, p. 570, 12-18.
Edition: Maimonides, Dalālat al-̣hā'irīn. Ed. ̣Husain Atāy, Kairo 1980.

Auslegung:

Dieses Zitat gibt eine der berühmtesten Aussagen des Maimonides wieder, nämlich dass seiner Meinung nach jede Vorschrift der Torah, also des jüdischen Gesetzes, einen rational nachvollziehbaren Grund hat. Maimonides trifft diese Aussage, nachdem er über einen Streit über diese Frage berichtet hat. Am Ende des Zitates gibt er auch zu, dass die Gründe für einige Vorschriften uns unbekannt sind. In jedem Fall stellt die Stelle ein starkes Plädoyer für einen rationalen Umgang mit religiösen Vorschriften dar, die Maimonides dann auch in differenzierter Weise weiter untersucht (Zitat Nummer 352). – Interessant ist, dass Maimonides das jüdische Gesetz, das wir unter dem hebräischen Ausdruck Torah kennen, in arabischer Sprache als Schari’a (šarīʿa) bezeichnet, also den gleichen Ausdruck verwendet, den wir für das islamische Religionsgesetz kennen.

Themen:

  • Gesetz und Gewissen
  • Gesetzgebung
  • Judentum und Islam
  • Gesetz (religiöses)
  • Judentum und Philosophie
  • Philosophie und Religion
  • Schari’a
  • Torah

Diejenigen, die Theorie betreiben, [...] sind über unsere Gesetzgebung im Hinblick darauf, was für uns erlassen wurde, verschiedener Meinung. Einerseits gibt es solche, die hierfür überhaupt keine Ursache suchen und sagen, dass alle Gesetze einem reinen Wunsch [Gottes] folgen. Andererseits gibt es solche, die sagen, dass jedes Gebot und Verbot hiervon einer Weisheit oder einer Absicht folgen, in der ein bestimmter Zweck liegt, und dass alle Gesetze eine Ursache haben und im Hinblick auf einen bestimmten Nutzen hierüber gesetzlich angeordnet wurde. Im Hinblick darauf, dass es für sie alle eine Ursache gibt, wobei wir die Ursache für einige von ihnen nicht kennen und der Gehalt der Weisheit uns hierüber unbekannt ist, dies ist die Meinung von uns allen, vom Volk und von der Elite.


Übersetzer: Matthias Perkams