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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II I-II 96, 4 responsio

Original:

Das Verhältnis von Gesetz und Gewissen
[1] Leges positae humanitus vel sunt iustae, vel iniustae. Si quidem iustae sint, habent vim obligandi in foro conscientiae a lege aeterna, a qua derivantur. [...] Leges huiusmodi, onera proportionabiliter inferentes, iustae sunt, et obligant in foro conscientiae, et sunt leges legales.
[2] Iniustae autem [...] leges magis sunt violentiae quam leges [...]. Unde tales leges non obligant in foro conscientiae, nisi forte propter vitandum scandalum vel turbationem.
[3] Alio modo leges possunt iniustae per contrarietatem ad bonum divinum: sicut leges tyrannorum inducentes ad idololatriam vel ad quodcumque aliud quod sit contra legem divinam. Et tales leges nullo modo licet observare.

Quelle: Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II /Summa theologiae (Sth.) I-II 96, 4 responsio.
Edition: N.N.

Auslegung:

Thomas nimmt an, dass das Gewissen nur dann an menschliche Gesetze gebunden ist, wenn diese gerecht sind. (VL Freiheit)

Themen:

  • Gesetz und Gewissen
  • Freiheit

[1] Menschlich festgelegte Gesetze sind entweder gerecht oder ungerecht. Wenn sie nun gerecht sind, haben sie verpflichtende Kraft im Forum des Gewissens vom ewigen Gesetz her, von dem sie abgeleitet sind. [...] Derartige Gesetze, die die Lasten proportional angemessen verteilen, sind gerecht und verpflichten im Forum des Gewissens, und sie sind legale Gesetze.
[2] Ungerechte Gesetze aber [...] sind eher Gewalttaten als Gesetze. [...] Daher verpflichten solche Gesetze im Forum des Gewissens nicht, außer vielleicht um einen Skandal oder Durcheinander zu vermeiden.
[3] Auf eine andere Weise können Gesetze ungerecht sein durch einen Widerspruch zum göttlichen Gut, wie zum Beispiel die Gesetze von Tyrannen, die zum Götzendienst anleiten oder zu irgend etwas anderem, was gegen das göttliche Gesetz ist. Und derartige Gesetze darf man in keiner Weise beachten.

Übersetzer: Matthias Perkams