Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Las Casas, Bartolomé de: Die zwölf Zweifelsfälle 8. Prinzip

Original:

Begrifflichkeiten zur Behandlung eines irrenden Gewissens
Achtes Prinzip: Mindestens seit fünfzig Jahren bis heute, also dem Jahr 1563 [...], hat es in ganz Westindien keinen [spanischen] Menschen gegeben – und es gibt ihn heute noch viel weniger –, der sich mit seinem guten Glauben bezüglich der folgenden Sachverhalte herausreden könnte:
Erstens bezüglich der Kriege, die man von spanischer Seite gegen die Indios allerorten [...] unternommen hat.
Zweitens bezüglich der bewaffneten Überfälle, die man durchgeführt hat und noch immer durchführt. [...]
Drittens bezüglich des Handels mit den in diesen Kriegen versklavten Indios.
Viertens bezüglich der Waren, die man den Kriegführenden verkaufte, wie etwa Arkebusen, Pulver, Armbrüste und vor allem Pferde. [...]
Wir werden im Folgenden Beweise für dieses Prinzip und seine sichere Richtigkeit anführen. Aber zum besseren Verständnis werden wir zuerst zwei Begriffe bzw. Vokabeln erklären [...]:
Ein Zweifel [...] ist eine Bewegung der Vernunft, welche unentschieden zwischen beiden Teilen eines Widerspruches steht [...]. Ein Mensch spricht also eigentlich dann davon, dass er zweifelt, wenn er in einer Sache zwei gleiche oder fast gleichwertige Argumente vorfindet, so dass er keiner Seite mehr zuneigen könnte als der anderen. [...]
Guten Glaubens und guten Gewissens bedeutet [zum Beispiel], dass er nicht weiß, dass sein Besitz in Wirklichkeit einem Fremden gehört, und ihn deswegen nicht zurückgibt, wenn er kann.
[1.] Schlechten Glaubens und schlechten Gewissens ist aber derjenige, der Zweifel hat, ob sein Besitz nicht doch einem Fremden gehört. [...] Dies ist ein starker, an das Gewissen gerichteter Zweifel.
[2.] In schlechtem Glauben befindet sich auch derjenige, welcher zweifelt und gleichzeitig die Möglichkeit hat, gelehrte Personen um Rat zu fragen [...], der sie aber dennoch nicht fragt. Denn er ist dazu verpflichtet, sorgfältig die Wahrheit zu suchen.
[3.] In schlechtem Glauben befindet sich auch derjenige, welcher gegen das Recht verstößt, weil er es nicht kennt. [...]

Quelle: Las Casas, Bartolomé de: Die zwölf Zweifelsfälle /Las doce dudas (doc. du.) 8. Prinzip.
Edition: Las Casas, Werkauswahl 3/2, S. 324f.

Themen:

  • Gesetz und Gewissen
  • irrendes Gewissen
  • Vernunft