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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Platon: Der Staat (Platon) VIII 562cd. 563de

Original:

Platon über das Überhandnehmen von Freiheit im demokratischen Staat und die strukturelle Schwäche der Demokratie
[1] Ὅταν οἶμαι δημοκρατουμένη πόλις ἐλευθερίας διψήσασα κακῶν οἰνοχόων προστατούντων τύχῃ, καὶ πορρωτέρω τοῦ δέοντος ἀκράτου αὐτῆς μεθυσθῇ, τοὺς ἄρχοντας δή, ἂν μὴ πάνυ πρᾷοι ὦσι καὶ πολλὴν παρέχωσι τὴν ἐλευθερίαν, κολάζει αἰτιωμένη ὡς μιαρούς τε καὶ ὀλι-γαρχικούς. [...]
[2] Τοὺς δέ γε, εἶπον, τῶν ἀρχόντων κατηκόους προπηλακίζει ὡς ἐθελοδούλους τε καὶ οὐδὲν ὄντας, τοὺς δὲ ἄρχοντας μὲν ἀρχομένοις, ἀρχομένους δὲ ἄρχουσιν ὁμοίους ἰδίᾳ τε καὶ δημοσίᾳ ἐπαινεῖ τε καὶ τιμᾷ. [...]
[3] Πάντων τούτων συνηθροισμένων, ἐννοεῖς ὡς ἁπαλὴν τὴν ψυχὴν τῶν πολιτῶν ποιεῖ, ὥστε κἂν ὁτιοῦν δουλείας τις προσφέρηται, ἀγανακτεῖν καὶ μὴ ἀνέχεσθαι; τελευτῶντες γάρ που οἶσθ’ ὅτι οὐδὲ τῶν νόμων φροντίζουσιν γεγραμμένων ἢ ἀγράφων, ἵνα δὴ μηδαμῇ μηδεὶς αὐτοῖς ᾖ δεσπότης.
[4] καὶ τῷ ὄντι τὸ ἄγαν τι ποιεῖν μεγάλην φιλεῖ εἰς τοὐναντίον μεταβολὴν ἀνταποδιδόναι. [...] Ἡ γὰρ ἄγαν ἐλευθερία ἔοικεν οὐκ εἰς ἄλλο τι ἢ εἰς ἄγαν δουλείαν μεταβάλλειν καὶ ἰδιώτῃ καὶ πόλει.

Quelle: Platon: Der Staat (Platon) /Πολιτεία /De re publica (rep.) VIII 562cd. 563de.
Edition: N.N.

Auslegung:

- Problem ist die Einforderung jeder Art von Freiheit, die nach und nach dazu führt, dass sich eine äußerst laxe Regierung herausbildet
- das erstreckt sich nicht nur auf die konkreten Regenten, sondern letztlich auf die Gesetze selbst
→ problematisch wird das Verhältnis der Bürger zu den Gesetzen überhaupt und die Anerkennung von Ordnung
- fortgesetzte Spannungen zwischen Armen und Reichen führen dazu, dass der Führer der Armen sich verteidigen lässt und schließlich zum Tyrannen wird
- auf diese Weise Auflösung der Demokratie und Übergang zur Staatsform der Alleinherrschaft, die ihrerseits instabil ist
- platonisches Ringen um Stabilität spielt sich auf anderen Schauplätzen ab als durch Stabilisierung der Demokratie
- auch die Gesetze in den Nomoi zielen eher auf Gerechtigkeit ab als auf Freiheit

Themen:

  • Demokratie
  • Freiheit

[1] Ich meine, wenn einer demokratischen, nach Freiheit dürstenden Stadt einmal schlechte Mundschenken vorstehen und sie sich über Gebühr an ihrem starken Wein berauscht, so wird sie ihre Obrigkeiten, wenn diese nicht ganz mild sind und alle Freiheit gewähren, bestrafen, da sie sie als bösartig und oligarchisch beschuldigt. [...]
[2] Und die den Obrigkeiten gehorchen, behandelt sie als freiwillige Sklaven und nichts Würdige. Und nur Obrigkeiten, welche sich wie Untergebene, und Untergebene, welche sich wie Obrigkeiten verhalten, werden privat und öffentlich gelobt und geehrt. [...]
[3] Wenn man all dies zusammenrechnet, begreifst du, wie empfindlich dies die Seele der Bürger macht, so dass, wenn ihnen jemand auch noch so wenig Dienst auflegen will, sie gleich unwillig werden und es nicht ertragen? Und zuletzt weißt du ja, dass sie sich auch um die Gesetze nicht kümmern, mögen es nun geschriebene sein oder ungeschriebene, damit auf keine Weise jemand ihr Herr ist.
[4] Und in der Tat, das Äußerste zu tun in irgendetwas, scheint immer eine große Verwandlung ins Gegenteil hervorzurufen. [...] Also auch die äußerste Freiheit wird wohl dem Einzelnen und dem Staat sich in nichts anderes verwandeln als in die äußerste Knechtschaft.

Übersetzer: Schleiermacher, leicht geändert von Matthias Perkams