Augustinus: Wenn es dir recht ist, wollen wir also jenes Gesetz zeitlich nennen, welches, wenn es auch gerecht sein mag, dennoch im Verlaufe der Zeit gerechterweise geändert werden kann?
Evodius: Nennen wir es so.
Aug.: Wie? Jenes Gesetz, das die höchste Vernunft genannt wird, dem immer zu gehorchen ist und durch welches sich die Bösen das unglückliche, die Guten aber das glückliche Leben verdienen, und durch das schließlich das zeitlich zu nennende Gesetz zu Recht erlassen und zu Recht geändert wird – kann dieses Gesetz irgendeinem Einsichtigen anders als unwandelbar und ewig erscheinen? [...] Ich glaube, du siehst zugleich auch ein, dass in dem zeitlichen Gesetz nichts gerecht und richtig ist, was sich die Menschen nicht aus dem ewigen Gesetz hergeleitet haben. Denn wenn dieses Volk zu einer Zeit gerechterweise Ämter verliehen hat, zu einer anderen wiederum nicht, dann ist diese zeitliche Veränderung, um gerecht zu sein, aus jener Ewigkeit abgeleitet, durch die es immer gerecht ist, daß ein würdevolles Ämter verleiht, ein ungefestigtes aber nicht. [...] Um also kurz den Begriff des ewigen Gesetzes, der uns eingeprägt ist, in Worten auszudrücken, soweit ich das vermag: Das ewige Gesetz ist das, wodurch es gerecht ist, dass alles bestens geordnet ist
Übersetzer: Brachtendorff, leicht geändert