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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Unbekannt: Buch vom reinen Guten § 8 [lat. 9]

Original:

Der Liber de causis (9. Jhdt.; im 12. Jhdt. lateinische Übersetzung) präsentiert eine neuplatonische Darstellung der Lehre von der Weltentstehung im monotheistischen Kontext
(1) كلّ عقل إنما ثباته وقوامه بالجير المحص، وهي العلّة الألى.
وقوّة العقل أشد واحدانيّة من الأشياء الثواني ... فالعقل إذاً يحيط بجميع الأشياء
فإنما صار العقل كذلك من أجل العلّة الألى ألتي تعلو الأسياء كلّها لأنها علّة العقل والنفس والطبيعة وسائرالأسياء. والعلّة الأواى ليست بعقل ولا نفس ولا طبيعة، بل هي فوق العقل والنفس والطبيعة لأنها مبدِعة لجميع الأسياء، إلا أنها مبدِعة لل عقل بلا توسّط ومبدعة للنفس والطبيعة وسائر الأشياء بتوسّط العقل. والعلم الإلاهي ليس كالعلم العقلي ولا كعلم النفسي لأنه مبدع للعلوم.
(2) والقوّة الألاهة فوق كلّ قوة عقليّة ونفسانيّة وطبيعيّة لأنها علّة لكلّ قوة. والعقل ذو حِليَة لأنه أنّيّة وصورة، وكذلك النفس ذات حلية والطبيعة ذات حلية. وليس للعقل الأولى حلية لأنها أنّيّة فقط.
فإن قال قائل، لا بدّ من أن يكون لها حلية، قلنا، حليتها لا نهاية لها وشخصها الخير المحص المفيض على العقل جميع الخيرات وعلى سائر الأشياء بتوسّط العقل.


Quelle: Unbekannt: Buch vom reinen Guten /Liber de causis § 8 [lat. 9].
Edition: Taylor

Auslegung:

Das Buch vom reinen Guten, das aufgrund von Übersetzungen griechischer neuplatonischer Texte, vor allem von Proklos’ Theologischer Elementarlehre, im Zirkel al-Kindīs entstanden ist, präsentiert eine neuplatonische Lehre von der Weltentstehung, die leicht an den monotheistischen Kontext des frühen Islam angepasst ist. In dieser Form fand das Werk unter dem Titel Buch von den Ursachen in lateinischer Übersetzung große Verbreitung im lateinischen Mittelalter, wo es häufig als Werk des Aristoteles, jedenfalls aber als Vollendung einer philosophischen Metaphysik galt.
Der vorliegende Text lässt seine neuplatonische Vorlage noch sehr klar erkennen, nämlich die Weltentstehung durch ein Ausströmen des Guten aus der ersten Ursache, welche vermittels des Intellekts (griech. nous/νοῠς; arab. al-ʿaql) und der Seele (griech. psychē/ψυχή) geschieht. Während die Beschreibung dieses Hervorströmens, wie der Emanationsprozess im Arabischen üblicherweise bezeichnet wird, insoweit ganz neuplatonisch ist (vgl. z. B. Zitat Nummer 269), wird anstatt des neuplatonischen Konzepts des „Einen“ direkt von der „ersten Ursache“ gesprochen. Während somit die neuplatonische Weltsicht etwas verändert wird, vermeidet es der Text als philosophische Abhandlung, diese Ursache ausdrücklich als „Gott“ zu bezeichnen. Im Übrigen wird in [3] durchaus Plotins Konzept des „Guten“ erwähnt (Zitat Nummer 272), das letztlich auf Platons „Idee des Guten“ im Sonnengleichnis zurückgeht (Zitat Nummer 513).

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Ursachen, Arten von
  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Emanation (Hervorgehen)
  • Gutes (das Gute)
  • Intellekt (Formen des Intellekts)
  • Neuplatonismus

[1] Jeder Intellekt hat seine Dauerhaftigkeit und seinen Bestand durch das reine Gute (al-ḥair al-maḥṣ); dieses ist die erste Ursache (al-ʿilla al-ūlā).
Die Kraft des Intellekts ist von stärkerer Einheit als die sekundären Dinge [...], ja, der Intellekt umfasst alle Dinge.
Und der Intellekt ist nur so geworden von seiten der ersten Ursache, welche alle Dinge überragt, weil sie die Ursache des Intellekts, der Seele, der Natur und all der anderen Dinge ist. Die erste Ursache ist weder Intellekt noch Seele noch Natur, sondern sie ist über dem Intellekt, der Seele und der Natur, weil sie Urheberin sämtlicher Dinge ist, mit dem Unterschied, dass sie die Urheberin des Intellekts ist ohne irgendwelche Vermittlung, die Urheberin der Seele, der Natur und aller anderen Dinge hingegen durch die Vermittlung des Intellekts. Das göttliche Wissen ferner ist nicht wie das Wissen des Intellekts noch wie das Wissen der Seele, sondern es ist über dem Wissen des Intellekts und dem Wissen der Seele, weil es der Urheber der Wissensformen ist.
[2] Die göttliche Kraft ist über jeder Intelligenz-, jeder Seelen und jeder Naturkraft, weil sie die Ursache jeder Kraft ist. Der Intellekt besitzt Schmuck (ḥilya), weil er Dasein (annīya) und Form ist; und ebenso hat auch die Seele Schmuck und die Natur Schmuck. Aber die erste Ursache hat keinen Schmuck, weil sie nur Dasein hat.
Und wenn jemand sagt, sie müsse notwendig Schmuck haben, so erwidern wir: Ihr Schmuck ist ihre Unendlichkeit und ihr eigentümliches Wesen ist das reine Gute, welches alles Gute auf den Intellekt und durch die Vermittlung des Intellekts auf alle anderen Dinge ausströmen lässt (mufīḍ).


Übersetzer: Bardenhewer, korrigiert nach dem Text von Taylor

[1] Omnis intelligentiae fixio et essentia est per bonitatem puram quae est causa prima. Et virtus intelligentiae est vehementioris unitatis [...] Ergo intelligentia continet omnes res.
Et non est facta intelligentia ita nisi propter causam primam quae supereminet omnibus rebus, quoniam est causa intelligentiae et animae et naturae et reliquis rebus. Et causa quidem prima non est intelligentia neque anima neque natura, immo est supra [intelligentiam et] animam et naturam, quoniam est creans omnes res. Verumtamen est creans intelligentiam absque medio et creans animam et naturam et reliquas res, mediante intelligentia. Et scientia quidem divina non est sicut scientia intellectibilis neque sicut ascientia animalis, immo est supra scientiam intelligentiae et scientiam animae, quoniam est creans scientias.
[2] Et quidem virtus divina est supra omnem virtutem intellectibilem et animalem et naturalem, quoniam est causa omni virtuti. Et intelligentia est habens yliathim quoniam est esse et forma et similiter anima est habens yliathim, et natura est habens yliathim. Et causae quidem primae non est yliathim, quoniam ipsa est esse tantum.
Quod si dixerit aliquis: necesse est ut sit yliathim, dicemus: yliathim suum est infinitum et individuum suum est bonitas pura, influens super intelligentiam omnes bonitates et super reliqua res mediante intelligentia.


Übersetzer: N.N.