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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten I 71, § 46 u. 50 (p. 180 Atay)

Original:

Der Jude Moses Maimonides weist auf die historischen Ursprünge des Kalām, d.h. der rationalen Theologie seit frühislamischer Zeit, hin
أما هذا البزر اليسير الذي تجده من الكلام في معنى التوحد وما يتعلق بهذا المعنى لبعض الجاؤنيين وعند القرائيين فهي أمور أخذوها عن المتكمين من الإسلام ... واعلم أن كل ما قالته فرق الإسلام في تلك المعاني، المعتزلة منهم والأشعريّة، هي كلها آراء مبنّيّة على مقدمات، تلك المقدمات مأخوذة من كتب اليونانيين والسريانيين ألذين راموا مخالفة آراء الفلاسفة ودحض أقاويلهم.


Quelle: Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten /Ḍalālat al-ḥāʾirīn /Dux neutrorum sive perplexorum I 71, § 46 u. 50 (p. 180 Atay).
Edition: Maimonides, Dalālat al-̣hā'irīn. Ed. ̣Husain Atāy, Kairo 1980.

Auslegung:

Dieses Zitat stellt einen Teil von Maimonides’ Auseinandersetzung mit der rationalen Theologie dar, die neben Muslimen auch Juden und Christen in der arabischen Welt unter dem arabischen Namen kalām praktizierten. Als Aristoteliker lehnt Maimonides diesen Zugang ebenso ab wie die arabische philosophische Tradition seit al-Fārābī (vgl. Zitat Nummer 440). In diesem Zitat argumentiert er historisch und suggeriert, dass diese Lehren ein Fremdkörper im Judentum sein, weil bestimmte jüdische Gruppen (Geonim und Karäer) sie aus dem Islam übernommen hätten, und die muslimischen Denker selbst von spätantiken Christen abhingen. Diese Behauptung identifiziert übergeordnete historische Verbindungslinien im Prinzip richtig, stellt aber auch eine grobe Vereinfachung dar, die die komplexe Entwicklung des Kalām in der islamischen Welt einfach beiseite wischt, die erst gegenwärtig intensiver in ihrer Geschichte erforscht wird. – Für die inhaltliche Auseinandersetzung des Maimonides mit dem Kalām vgl. Zitat Nummer 421.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Judentum und Philosophie
  • Kalām
  • Philosophie und Religion
  • Theologie (rationale/philosophische)
  • Argumentation, historische

Was diese geringe Kleinigkeit anbelangt, die du von Seiten des Kalām zum Thema der Einheit [Gottes] (tawḥīd) und dem, was damit zusammenhängt, bei einigen Geonim und Karäern findest, so übernahmen sie diese Dinge von den Mutakallimūn aus dem Islam. [...] Des Weiteren sollst du wissen: Alles, was die Richtungen des Islam – wozu die Muʿtaziliten und die Ašʿāriten gehören – zu diesen Themen gesagt haben, sind Meinungen, die auf bestimmten Prämissen beruhen. Diese Prämissen sind den Büchern der [christlichen] Griechen und Syrer entnommen, die einen Widerspruch zu den Meinungen der Philosophen aufbrachten und deren Aussagen entkräfteten.


Übersetzer: Abel/Levkovich/Musall, leicht geändert von Matthias Perkams