Original:
Der Sunnit ad-Dārimi [gest. 869] kritisiert die Muʿtaziliten bzw. die ihnen nahestehenden Ğahmiten
أعظموا في أللّه القول وسبوه بأقبح السبب وجهله ونفوا عنه صفاته التي بها يُعرف صفةً صفةً حتى نفوا عنه العلم الأوّل لاسابق والكلام والسمع والبصر والأمر كلّه.
Quelle:
Ad-Dārimi :
Widerlegung der Ğahmiten
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Kitāb ar-radd ʿala l-ğahmīya
61, 15-17.
Edition: Vitestam
Auslegung:
Dieser Text ist ein Beispiel für die argumentative Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Denkrichtungen im Islam. Ad-Dārimī, bekannt als Sammler von Ḥadiṯen (Überlieferungen von Worten Mohammeds), vertritt hier eine traditionelle Position, die die streng rationalistische Richtung des muʿtazilitischen Kalām kritisiert. Diese Kritik hatte eine politische Dimension, weil die muʿtazilitische Richtung im 9./10. Jahrhundert eine Art Staatsdoktrin des Kalifats war und ihre Gegner verfolgt wurden.
Ad-Dārimī kritisiert hier offenbar einen Ansatz negativer Theologie, der sich dadurch bemüht, der Transzendenz Gottes gerecht zu werden, dass er ihm viele Attribute abspricht. Das geschieht in neuplatonischer Tradition (vgl. Zitate Nummer 265 und 517). Ad-Dārimī missversteht die dahinterstehende Absicht völlig, wenn er behauptet, damit würden die Muʿtaziliten seiner Attribute wie Allmacht, Denken und Vorsehung berauben. Er weist allerdings auf das Problem hin, dass negative Theologie wenig geeignet ist, religiöse Gottesbilder zu erklären, in denen Gott positive Eigenschaften zugeschrieben werden. Deswegen versucht z.B. der Christ Pseudo-Dionysios herauszustellen, dass Gott deswegen etwas nicht ist, weil er viel mehr ist, als wir über ihn sagen könnten (vgl. Zitat Nummer 306). Eine solche Perspektive spielt hier keine Rolle.
Themen:
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Judentum und Islam
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Muʿtaziliten
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Arabisch-islamische Philosophie
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Gott
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Kalām
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Negative Theologie