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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Abū Ḥātim ar-Rāzī: Zeichen der Prophetie 3-4 = Abū Zakarīya ar-Rāzī, Rasāʾil falsafīya, Beirut 1982, 295, 8-13

Original:

Abū Zakarīya ar-Rāzī über die angemessenste göttliche Inspiration
الأولى بحكمة الحكيم ورحمة الرحيم أن يُلهِم عباده أجمعين معرفةَ منافعهم ومضارّهم في عاجلهم وآجلهم ولا يُفضِل بعضهم على بعض، فلا يكون بينهم تنازُع ولا اختلاف فيهلكوا. وذلك أحوَط لهم من أن يجعل بعضهم أيمّةً لبعض فيصدّق كل فرقة إمامها وتكذّب غيره ويضرب بعضهم وجوه بعض بالسيف ويعمّ البلاء ويهلكوا بالتعادي والمجاذبات. فقد هلك كذلك كثير من الناس كما نرى.


Quelle: Abū Ḥātim ar-Rāzī: Zeichen der Prophetie 3-4 = Abū Zakarīya ar-Rāzī, Rasāʾil falsafīya, Beirut 1982, 295, 8-13.
Edition: N.N.

Auslegung:

Dieser Text ist eines der Zeugnisse, die den persischen Arzt Abū Zakarīya ar-Rāzī (lat. Rhazes; ca. 865-925) philosophisch dafür bekannt gemacht haben, alle Menschen als Empfänger der göttlichen Offenbarung zu sehen, so dass spezifisch religiöse Autoritäten, hier Imame genannt, nicht angenommen werden müssen. Dieser gegenüber der institutionalisierten Religion kritische Zug und die damit verbundene Parteinahme gegen konfessionelle Streitigkeiten haben Rāzī nach seiner Publikation durch Paul Kraus 1939 auch in Europa berühmt werden lassen. Zum richtigen Verständnis des Textes ist zu beachten, dass „der Weise“ und „der Gnädige“ in der ersten Zeile islamische Gottesbezeichnungen sind; Rāzī spricht also über die Weisheit und Gnade Gottes. Überliefert wurde der Text durch den Ismaeliten Abū Ḥātim ar-Rāzī, also den Anhänger einer schiitischen Untergruppe. Die Authentizität des Zitats für das Denken von Abū Zakarīya ar-Rāzī selbst ist daher umstritten.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Abū Zakarīya ar-Rāzī
  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Gott
  • Offenbarung

Das Vorzüglichste in der Weisheit des Weisen und der Gnade des Gnädigen ist, dass er seine gesamten Diener mit dem Wissen (maʿrifa) um das Nützliche und Schädliche inspiriert, sowohl jetzt als auch im Kommenden, ohne die einen den anderen vorzuziehen, damit nicht Kampf und Streitigkeit zwischen ihnen herrsche, so dass sie zugrunde gehen. Das wäre achtsamer, als wenn er einige von ihnen zu Imamen der anderen machte, so dass jede Sekte (firqa) ihrem eigenen Imām die Wahrheit zuspräche und den anderen die Falschheit, bis sie sich gegenseitig mit dem Schwerte ins Gesicht schlügen, Elend verbreiteten und durch Feindschaft und Wettstreit zugrunde richteten. Denn viele Menschen gingen auf diese Weise zugrunde, wie wir sehen.

Übersetzer: P. Adamson/K. Weber; leicht geändert von Matthias Perkams