Original:
Al-Fārābī erklärt die Vertreter der Philosophie zur geistigen Elite des islamisch geprägten Umfelds, auch im Vergleich zur rationalen Theologie (kalām)
[1] صار الكلام نسبته إلى الفلسفة أيضاً على أنها بوجه ما خادمة لها أيضاً بتوسط المللة، إذ كانت إنما تنصر وتلتمس تحصيص ما قد صُحّح أوّلاً في الفلسفة بالبرهان بما هو مشهور في بادئ الرأي عند الجميع. ...
[2] فالخواصّ على الإطلاق أذن هم الفلاسفة الذين هم فلاسفة بإطلاق. فسائر مَن يُعَدّ من الخواصّ إنما يُعَدّ منهم لأن فيهم شبها من الفلاسفة. ... ويجُعل الخواصّ أوّلاً وفي الجودة على الإطلاق الفلاسفة، ثم جدليّون والسوفسطائيّون، ثم واضعو اليوامس، ثم المتكلّمون والفقهاء. والعوامّ والجمهور ... كان فيهم مَن تقلّد رئاسة مدنيّة أو كان يصلح أن يقلّدها أم لا.
Quelle:
Al-Fārābī :
Buch der Buchstaben
/
Kitāb al-ẖurūf
§ 111. 113 (p. 133, 1-4. 14-16; 134, 12-15 Mahdi).
Edition: Abū-Naṣr al-Fārābī, Kitāb al-Ḥurūf. Ḥaqqaqahū wa-qaddama lahū wa-ʿallaqa ʿalaihī Muḥsin Mahdī, Beirut 1970; englische Übersetzung bei Classical Arabic philosophy. An anthology of sources. Translated with introd., notes, and glossary by Jon McGinnis and David C. Reisman, Indianapolis 2007.
Auslegung:
Hier zieht al-Fārābī weitere Schlüsse aus seinen Überlegungen der besonderen wissenschaftlichen Kompetenz der Philosophen (Zitat Nummer 401). Im ersten Teil des Zitats fasst er noch einmal seine Vorstellung der Überlegenheit der Philosophie zusammen und erwähnt den Religionsstifter als „Urheber der Meinung“, spricht ihm also als solchen ein besonderes Wissen über die von ihm verkündeten religiösen Meinungen ab. Al-Fārābī, der eng mit jüdischen und christlichen Kollegen zusammenarbeitete, meinte damit sicher nicht nur Mohammed, sondern auch Mose, Jesus, Zarathustra und andere damals bekannte Religionsstifter. In Teil 2 des Zitats wird deutlich, dass seine Konzeption auch eine sozial-politisches Zielsetzung hat: Die Philosophen in der Tradition des Aristoteles (arab.
al-falāsifa) werden als geistige Elite auch im religiösen Kontext bezeichnet. Dieser faktischen Vorrangstellung der Philosophen, die auf ihr besonderes, durch Beweise abgesichertes Wissen begründet ist (Zitat Nummer 401), ändert aber nichts daran, dass die faktischen Herrscher häufig beliebig gewählt werden, ohne dass es dafür eine sachliche Begründung gäbe. Immerhin wird hier mit „Gesetzgeber“ ein weiterer, aus der antiken Philosophie übernommener Begriff für den Religionsstifter eingeführt, während die rationale Theologie (
kalām) und das islamische Recht (
fiqh) eher abgewertet werden. – Die hier behauptete politische Dimension der Religionsphilosophie hatte faktisch freilich nur einen begrenzten Einfluss, wenn auch das aristotelische Philosophie-Ideal, nicht zuletzt durch Ibn Rušd (Averroes), bis in die lateinische Welt vermittelt wurde (vgl. Zitat Nummer 768).
Themen:
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