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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Ibn Sīnā (Avicenna): Metaphysik (Buch der Genesung) I 2 § 12. 17f. (p. 13. 15 Cairensis)

Original:

Avicenna über den Gegenstand der Metaphysik und ihre Ziele
؜(1) الموجود بما هو موجود أمر مشترك لجميع هذه، و... يجب أن يُجعل الموضوع لهذه الصناعة . ... ولأنه غني عن تعليم ماهيته وعن إثباته، حتى يحتاج إلى أن يتكفل علم غير هذا العلم بإيضاح الحال فيه. ... فهذا العلم يبحث عن أحوال الموجود، والأمور التي هي له،كالأقسام والأنواع، حتى يبلغ إلى تحصيص يحدث معه موضوع العلم الطبيعي فيسلمه إليه
؜؜؜(2) فهذا هو العلم المطلوب في هذه الصناعة وهو الفلسفة الأولى، لأنه العلم بأول الأمور في الوجود، وهو العلة الأولى وأول الأمور في العموم، وهو الوجود والوحدة. وهو أيضاً الحكمة التي هي أفضل علم بافضل معلوم؛ فإنها أفضل علم أي اليقين، بأفضل المعلوم أي الله تعالى وبالأسباب من بعده. وهو أيضاً معرفة الأسباب القصوى للكل. وهو أيضاً المعرفة بالله، وله حد العلم الإلهي الذي هو أنه علم بالأمور المفارقة للمادة في الحد والوجود،


Quelle: Ibn Sīnā (Avicenna): Metaphysik (Buch der Genesung) /Al-Īlāhīyāt (Kitāb-aš-Šifāʾ) I 2 § 12. 17f. (p. 13. 15 Cairensis).
Edition: Ibn Sīnā (Avicenna), The Metaphysics of The Healing. A Parallel English-Arabic Text. Transl., introd. and annot. by M. E. Marmura, Provo (Utah) 2005.

Auslegung:

Hier legt Ibn Sīnā sein Verständnis der aristotelischen Formel dar, die Metaphysik beziehe sich auf „das Seiende qua Seiendes“ (ὂν ᾗ ὄν/on hē on). Für Avicenna ist damit das Daseiende bzw. Existierende gemeint, das er vom Wesen einer Sache deutlich unterscheidet (Zitat Nummer 86). Dieses ist für ihn dasjenige, was dem Menschen immer als solches bekannt ist und nicht erst durch eine andere Wissenschaft bekannt gemacht werden muss. Aufgabe der Metaphysik ist daher in erster Linie die Erläuterung der Eigenschaften („Umstände“) und der Einteilungen dieses Existierenden, die wieder zum Anlass weiterer Wissenschaften werden, z.B. der Wissenschaft vom natürlichen Seienden bzw. der Physik (Naturphilosophie), die sich mit einem Unterbereich des Seienden befasst. Dieser muss von der Metaphysik durch eine Analyse des Seinsbegriffs, also im Grunde deduktiv aufgewiesen werden, um eine Grundlage für die Naturwissenschaft zu liefern. In Teil [2] betont Avicenna, wiederum im Anschluss an Aristoteles, den zentralen Charakter dieser Wissenschaft als der eigentlichen Weisheit, da sich aus dem Seienden als solchen letzten Endes auch ein Verständnis Gottes gewinnen lässt (vgl. Zitat Nummer 692).

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Metaphysik
  • Gott und die Welt
  • Arabisch-islamische Philosophie

[1] Das Existierende qua existierendes (al-mawǧūd bi mā huwa mawǧūd) ist etwas all diesem [verschiedene Formen von Sein, die Gegenstände verschiedener Wissenschaften sind] Gemeinsames, und es muss zum Gegenstand dieser Fertigkeit gemacht werden [...], weil es ohne eine Untersuchung seiner Wesenheit und ohne einen Nachweis seiner selbst auskommt, so dass eine andere Wissenschaft die Aufklärung seines Zustands übernehmen müsste. [...] Diese Wissenschaft untersucht also die Zustände des Existierenden und die Umstände, die ihm zukommen, wie die Teile und die Arten, bis es zu einer Festlegung gelangt, mit der [zum Beispiel] der Gegenstand der Naturwissenschaft neu entsteht, so dass sie ihn dieser übergibt. [...]
[2] Und dies ist die Wissenschaft (ʿilm), das in dieser Fertigkeit gesucht wird, und es ist die erste Philosophie, weil es das Wissen der ersten Umstände in der Existenz ist – dies sind die erste Ursache und die Umstände in dem Allgemeinen, und die Existenz (wuǧūd) und die Einheit (waḥda) –, und dies ist auch die Weisheit (ḥikma), die das edelste Wissen über das edelste Objekt ist: das edelste Wissen in Bezug auf die Klarheit; über das edelste Objekt in Bezug auf Gott und die Ursachen nach ihm. Es ist also auch die Kenntnis der letzten Ursachen des Universums und auch die Kenntnis Gottes. Und deswegen kommt ihm die Definition ,göttliches Wissen‘ (ʿilm al-īlāhī) zu, der darin besteht, dass es von den Tatsachen, die von der Materie getrennt sind, in Bezug auf die Definition und die Existenz handelt.

Übersetzer: Matthias Perkams