Original:
Avicenna erklärt die Struktur der ersten Ursache (bzw. Gottes) als sich selbst denkender Intellekt
(1) وعاشق ذاته التي هي مبدأ كل نظام وخير من حيث هي كذلك، فيصير نظام الخير معشوقا له بالعرض، لكنه لا يتحرك إلى ذلك عن شوق فإنه لا ينفعل منه ألبتة، ولا يشتاق شيئا ولايطلبه. فهذه إرادته الخالية عن نقص يجلبه شوق وانزعاج قصد إلى غرض.
(2) فيكون من جملة تلك المعقولات ما مالمعقول منه أن الأول مبدأ له بلا واسطة، بل يفيض وجوده عنه أولاً، وما معقول منه أنه مبدأ له بطوسط فهو يفيض عنه ثانيّاً. ... لكن بعضها قبل وبعضها بعد، على الترتيب السببي والمسببي.
Quelle:
Ibn Sīnā (Avicenna):
Metaphysik (Buch der Genesung)
/
Al-Īlāhīyāt (Kitāb-aš-Šifāʾ)
VIII 7 § 3. 6 (p. 363. 365 Cairensis).
Edition: Ibn Sīnā (Avicenna), The Metaphysics of The Healing. A Parallel English-Arabic Text. Transl., introd. and annot. by M. E. Marmura, Provo (Utah) 2005.
Auslegung:
Ibn Sīnā stellt hier die Struktur der ersten Ursache bzw. Gottes dar. – Die wichtigsten Aspekte in Punkt [1] sind folgende: Gott wird, wie schon bei al-Fārābī (Zitate Nummer 443 und 444), als sich selbst denkender Intellekt dargestellt. Damit kann Ibn Sīnā an wesentliche Themen platonischen Philosophierens anschließen: Aus Platons
Timaios stammt die Annahme, dass Gott eine schlechthin gute Ordnung der Welt schafft (Zitat Nummer 33). Die grundlegende Struktur der Selbsterkenntnis des Geistes ist von Plotin inspiriert (Zitat Nummer 264), doch identifiziert Ibn Sīnā, wie die monotheistische Tradition seit dem Juden von Alexandria (Zitat Nummer 404) den sich selbst denkenden Intellekt mit Gott bzw. der ersten Ursache. Im Ergebnis bringt Gott durch sein Denken notwendigerweise eine gute Welt hervor. Ibn Sīnā betont in diesem Zusammenhang besonders die Selbstliebe Gottes, die aber nicht daraus resultiert, dass Gott irgendetwas erstreben würde, denn dann hätte er ja einen Mangel. – Punkt [2] verweist auf Ibn Sīnās kosmologische Vorstellungen, die nicht zuletzt von der Kosmologie des Alexander von Aphrodisias beeinflusst sind (Zitat Nummer 258). Wie dieser nimmt Avicenna an, dass die erste Ursache bzw. Gott unmittelbar ein Objekt und alle anderen Objekte mittelbar hervorbringt (wobei jedes Objekt einem Planeten und seiner Umlaufbahn entspricht). So wird die Distanz Gottes von der sinnlich wahrnehmbaren Welt betont. Obwohl die Idee, dass Gott keinen unmittelbaren Kontakt zur Vielheit der sinnlich wahrnehmbaren Dinge haben soll, neuplatonisch inspiriert ist, unterscheidet sich diese Konstruktion deutlich von der Hypostasenlehre Plotins.
Themen:
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Intellekt (Formen des Intellekts)
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