Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Al-Ġazālī : Die Inkohärenz der Philosophen I § 6f. 66 (p. 13. 27f. Marmura)

Original:

Die Philosophen leiten die Ewigkeit der Welt aus der Ewigkeit Gottes ab, und al-Ġazālī widerlegt dies
قولهم يستحيل صدور حادث من قديم مطلقاً، ... فأحوال القديم إذا كانت متشابهة، فإما أن لا يوجد عنه شيء قط، وإما أن يوجد على الدوام. ...
فإن في العالم حوادث ولها أسباب. فأن استندت الحوادث إلى الحوادث إلى غير نهاية، فهو محال، ... ولو كان ذاك ممكناً، لا استغنيتم عن ... اثبات واجب الوجود هو مستند الممكنات. وإذا كانت الحوادث لها طرف ينتهي إليه تسلسلها، فيكون ذلك الطرف هو القديم.
فلا بدّ إذن على أصلهم من تجويز صدور حادث من قديم.


Quelle: Al-Ġazālī : Die Inkohärenz der Philosophen /Tahāfut al-falāsifa I § 6f. 66 (p. 13. 27f. Marmura).
Edition: Al-Ghazālī, The incoherence of the philosophers. Tahāfut al-falāsifa. A parallel English-Arabic text transl., introd., and annotated by Michael E. Marmura, Provo (Utah) [2009].

Auslegung:

Dieser Text richtet sich gegen die Annahme der Philosophen, es könne nichts Neues aus etwas Ewigem entstehen. Denn um etwas Neues hervorzubringen, müsste sich das Ewige verändern, und dann wäre es nicht mehr schlechthin ewig (denn Ewigkeit im strengen Sinne impliziert Unveränderlichkeit). Al-Ġazālī löst das Problem nicht, sondern er erwidert den Philosophen: Wenn ihr das behauptet, widersprecht ihr Euch selbst. Denn ihr nehmt ja an, dass etwas Mögliches nur hervorgebracht werden kann, wenn eine notwendige Ursache es hervorbringt (vgl. Zitate Nummer 454 und 462). Etwas Notwendiges muss aber ewig sein. Also müsst Ihr doch annehmen, dass etwas Neues aus etwas Ewigem hervorgeht, wie auch immer Ihr das erklärt. – Al-Ġazālī zeigt hier also, seinem Programm gemäß, nur, dass die Philosophen keinen Beweis liefern können, der ihren Prämissen entspricht (Zitat Nummer 457 [2]). – Die Fortsetzung der Diskussion findet sich in Zitat Nummer 461.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Avicenna
  • Emanation (Hervorgehen)
  • Ewigkeit der Welt
  • Kausalität
  • Neuplatonismus
  • Schöpfung

Sie behaupten, dass das Hervorgehen von etwas Neu Entstehendem (ḥādiṯ) aus etwas Ewigem (qadīm) völlig unmöglich ist. [...] Denn wenn die Zustände des Ewigen gleich bleiben, dann existiert entweder niemals etwas von ihm her, oder es existiert auf die Weise der Ewigkeit. [...] [Al-Ġazālīs Gegenargument:] Nun gibt es aber in der Welt neu entstehende Dinge, und sie haben Ursachen. Aber dass sich das neu Entstehende bis ins Unendliche auf anderes neue Entstehende stützt, das ist absurd. [...] Aber wenn das möglich wäre, dann wäret ihr nicht angewiesen [...] auf die Behauptung von etwas notwendig Existierendem, das die möglichen Dinge begründet. Aber wenn das neu Entstehende ein Ende hat, an dem seine Verkettung endet, so muss dieses Ende ewig sein. Ihr Ausgangspunkt impliziert dann aber unbedingt die Billigung des Hervorgehens von etwas neu Entstehendem aus etwas Ewigem.


Übersetzer: Matthias Perkams