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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Al-Ġazālī : Die Inkohärenz der Philosophen IV § 15-20, S. 81f.

Original:

Avicennas Gottesbeweis aus der Notwendigkeit und al-Ġazālīs Kritik daran
a) إن قيل:
البرهان القاطع على استحالة علل إلى غير نهاية أن يقال: كلّ واحد من واحد من آحاد العلل ممكنة في نفسها أو واجبة، فإن كانت واجبة، فلم تفتقر إلى علتة، وإن كانت ممكنة، فالكلّ موصوف بالامكان. وكلّ ممكن فيفتقر إلى علّة زائدة على ذاته، فيفتقر الكلّ إلى علّة خارجة عنها،
قلنا:
لفظ الممكن والواجب لفظ مبهم، إلا أن يراد بالواجب ما لا علّة لوجوده ويراد بالممكن ما لوجوده علّة. وإن كان المراد هذا، فلنرجع إلى هذه اللفظة فنقول كلّ واحد ممكن على معنى أن له علّة زائدة على ذاته، والكلّ ليس بممكن، على معنى أنه ليس له علّة زائدة على ذاته خارجة منه. وإن أُريد بلفظ الممكن غير ما أردناه فهو ليم بمفهم.
b) فإن قيل:
فهذا يؤدّي إلى أن يتقوّم واجب الوجود بممكنات الوجود وهو محال،
قلنا:
إن أردتم بالواجب والممكن ما ذكرناه، فهو نفس المطلوب. فلا نسلّم أنه محال. ... ف ... يقال على كلّ واحد أنّ له علّة ولا يقال للمجموع علة. وليس كلّ ما صدق على الآحاد يلزم أن يصدق على المجموع.

Quelle: Al-Ġazālī : Die Inkohärenz der Philosophen /Tahāfut al-falāsifa IV § 15-20, S. 81f..
Edition: Marmura

Auslegung:

Al-Gazali rekurriert hier auf eine Antwort Avicennas und anderer Philosophen auf das so genannte „Kalam Cosmological Argument“, dem zufolge eine Gesamtheit von neu entstehenden Dingen auch neu entstehend sein muss, so dass es einen Schöpfer brauche. Der Schluss von allen einzelnen Dingen auf die Gesamtheit ist hierbei laut Avicenna ungültig. Al-Gazali wendet dieses Prinzip auf Avicennas Unterscheidung möglich/notwendig an.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Gottesbeweis
  • Avicenna

a) Wenn gesagt wird:
,Der entscheidende Beweis (al-burhān al-qātiʿ) für die Unmöglichkeit von Ursachen bis in die Unendlichkeit besteht in der Aussage: ,Jede einzelne der individuellen Ursachen ist in sich entweder möglich oder notwendig. Aber wenn sie notwendig sind, dann brauchen sie keine Ursache. Aber wenn sie möglich sind, dann ist das Ganze (al-kull) durch Möglichkeit charakterisiert. Und jedes Mögliche braucht eine Ursache außerhalb seiner selbst. Also braucht das All eine Ursache außerhalb seiner selbst,‘
dann sagen wir:
,Die Ausdrücke ,möglich‘ und ,notwendig‘ sind unklare Ausdrücke, es sei denn, man versteht unter ,notwendig‘ ,das, dessen Existenz keine Ursache hat‘ und unter ,möglich‘ ,das, dessen Existenz eine Ursache hat‘. Wenn sie aber so verstanden werden, dann kehren wir zu dieser Aussage zurück, so dass wir sagen: Jedes Einzelne ist möglich in dem Sinn, dass es eine Ursache zusätzlich zu sich selbst hat; doch das All ist nicht möglich, und zwar in dem Sinn, dass es keine Ursache zusätzlich zu sich selbst hat, die außerhalb von ihm wäre [folglich ist es notwendig]. Aber wenn ich mit ,möglich‘ etwas anderes meine, als wir darunter gemeint haben, so ist dies unverständlich´.
b) Wenn dann gesagt wird:
,Aber das würde dazu führen, dass das notwendig Existierende (wāǧib al-wuǧūd) die möglich existierenden Dinge für seinen Bestand voraussetzte, und das ist unmöglich‘,
dann sagen wir:
,Wenn ihr mit ,notwendig‘ und ,möglich‘ das meint, was wir genannt haben, ist das genau das Ergebnis. Aber wir geben nicht zu, dass es unmöglich ist. [...] Man kann über jedes Einzelne sagen, dass es eine Ursache hat und doch der Gesamtheit keine Ursache zusprechen. Denn nicht alles, was für die Individuen richtig ist, ist zwingend auch für die Gesamtheit richtig‘.

Übersetzer: Perkams