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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān Auszüge von S. 147-154

Original:

Ibn Ṭufail schildert das Scheitern von Ḥayy ibn Yaqẓāns Versuch, sein philosophisches Wissen den religiösen Menschen zu erklären
(1) فلما اشتدّ اشفاقه على الناس وطعم أن بكون نجاتهم على يديه، حدثت له نية في الوصول إليهم وايضاح الحق. ... فشرع حي بن يقظان في تعليمهم وبث أسرار الحكمة إليهم، فما هو إلا أن ترقى عن الظاهر قليلاً وأخذ في وصف ما سبق إلى فهمهم خلافه، فجعلوا ينقبضون عنه ... ويتسخطونه في قلوتهم.
(2) له تحقق على القطع أن مخاطبتهم بطريق المكاشفة لا يمكن، ... ووصّاهم بملازمة ما هم عليه من التزام حدود الشرع والأعمال الظاهرة، وقلة الخوض فيما لا يعيّنهم والإيمان بالمتشابهات والتسليم لها.
(3) وانفصل عنهم وتلطفا في العود ألى جزيرتهما ... وطلب حي ابن يقظان مقامة الكريم بالنحو الذي طلبه أولا.

Quelle: Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān /Ḥayy ibn Yaqẓān Auszüge von S. 147-154.
Edition: Hayy ibn Yaqzan. Roman philosophique d'I̕bn Ṭufayl. Texte arabe et traduction française par Léon Gauthier, Beirut 1936 (Nachdruck Frankfurt 1999).

Auslegung:

Die Begegnung Chayys mit den Anhängern der wahren Religion (vgl. Zitat Nummer 776) verläuft nicht so wie erhofft: Die Anhänger der wahren Religion verstehen die philosophische Lehre nicht, aufgrund derer ihre Religion einmal mit rhetorischen und bildersprachlichen Mitteln eingerichtet worden war, sondern kleben am äußeren Sinn der Heiligen Schrift, die hier wohl bildlich (in erster Linie für den Koran steht. Die für ein philosophisches Verständnis notwendige Auslegung (vgl. die Erklärung des Averroes in Zitat Nummer 349) wird allerdings von den religiösen Menschen nicht verstanden. Die Antwort des Philosophen ist ein etwas resignativer Rückzug in die wahre Gottesbeziehung durch geistige Anstrengung. Damit nimmt Ibn Tufail ein Thema auf, das ebenfalls bereits seit der Antike verbreitet ist. Ihm entspricht die Aufforderung an die Leute, einfach an einem wörtlichen Verständnis der Schrift festzuhalten.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Philosophie und Religion
  • Wege des Ich
  • Auslegung (autoritativer Schriften)
  • Sinn der heiligen Schrift
  • Äußerer/wörtlicher Schriftsinn

[1] Da er großes Mitleid mit den Menschen empfand und den Wunsch hatte, ihnen das Heil zu bringen, kam der Wunsch in ihm auf, zu ihnen zu gehen, um ihnen die Wahrheit offenzulegen und zu erklären. [...] Ḥayy ibn Yaqẓān begann also, sie zu unterweisen und ihnen die Geheimnisse der Weisheit (asrār al-ḥikma) zu enthüllen; doch sobald er auch nur ein kleines Stück über den äußeren Wortsinn (aẓ-ẓāhir) hinausging und etwas beschrieb, das nicht mit ihrem Verständnis übereinstimmte, begannen sie sich vor ihm zu verschließen, [...] und in ihren Herzen ärgerten sie sich über ihn. [...]
[2] Da gab er die Überzeugung auf, dass er sie bekehren könnte, und verlor die Hoffnung, dass sie von ihm etwas annehmen würden. [...] Er riet ihnen, in ihrer gewohnten Weise an den Bestimmungen des [religiösen] Gesetzes (ḥudūd aš-šar‘) und den auf das Äußerliche bezogenen Handlungen festzuhalten, sich so wenig wie möglich in Dinge, die nicht ihre Sache waren, zu vertiefen, den schwerverständlichen Stellen in den heiligen Texten Glauben zu schenken und sie ohne Vorbehalte anzuerkennen. [...]
[3] Darauf verabschiedeten sich die beiden von ihnen, kehrten zurück zu ihrer Insel und [...] Ḥayy ibn Yaqẓān versuchte in gleicher Weise wie zuvor, sich in die Lage der Erhabenheit [i.e. die unio mystica] zu versetzen.

Übersetzer: Schaerer, leicht geändert von Matthias Perkams