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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten I 71 § 59. 62f

Original:

Maimonides über die philosophischen Möglichkeiten der Theologie
(1) وجدت طريق المتكلمين كلهم طريقاً واحداً بالنوع، ... وذلك أن قاعدة الكل أن لا اعتبار بما عليه الوجود لأنها عادة يجوز في العقل خلافها، ... فإذا ثبت أن العالم محدث ثبت بلا شكّ أن له صانع أحدثه. ... وليس ذلك برهاناً قطعيّاً إلا عند مَن لا يعلم الفرق بين البرهان وبين الجدل وبين المغالطة. ... تلك الأدلّة كلها فيها شكوك واستعملت فيها مقدمات لم تتبرهن.
(2) وغاية قدرة المحقق عنديّ من المتشرعين أن يبطل أدلّة الفلاسفة على القدم، ... وقد عَلَمَ كل ناظر ذكي محقق لا يغالط نفسه أن هذه المسالة أعني قدم العالم أو حدوثه لا يوصل إليها ببرهان قطيّ وأنها موقف عقل.


Quelle: Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten /Ḍalālat al-ḥāʾirīn /Dux neutrorum sive perplexorum I 71 § 59. 62f.
Edition: Maimonides, Dalālat al-̣hā'irīn. Ed. ̣Husain Atāy, Kairo 1980.

Auslegung:

Hier setzt sich Maimonides aus aristotelischer Perspektive inhaltlich mit dem Kalām, der rationalen Theologie in der islamischen Welt, auseinander. Damit vertieft er seine Kritik, die er anderswo historisch begründet (Zitat Nummer 421). Insbesondere wirft er den Vertretern des Kalām vor, keine wissenschaftlich begründeten Beweise zu liefern (vgl. Zitat Nummer 480). Konkret richtet sich seine Kritik gegen eine Vorgehensweise, in der behauptet wird, die Welt sei neu entstanden und müsse daher einen Hersteller haben (vgl. für eine ähnliche Position Zitat Nummer 424). Maimonides’ Kritik beruht darauf, dass es sich hierbei nicht um einen gültigen Beweis handle. Das betrifft offenbar vor allem die Prämissen, die für ihn nicht hinreichend methodisch abgesichert sind, z.B. im Hinblick auf die Behauptung, dass die Welt ebenso eines Herstellers bedürfe wie alles andere neu Geschaffene, aber auch die Nicht-Beachtung der aristotelischen Argumente für die Ewigkeit der Welt (vgl. Zitate Nummer 479). Vor allem aber vermisst Maimonides eine klare Orientierung an der aristotelischen Apodeiktik, wie sie in der arabischen Philosophie seit al-Fārābī verstanden wird (vgl. Zitat Nummer 438). In Punkt [2] formuliert Maimonides dann seinen eigenen Anspruch, nämlich die Beweise der Philosophen, die gegen eine aus religiöser Sicht notwendige Position sprechen, soweit zu entkräften, dass sie keine Notwendigkeit mehr aufweisen. Damit nähert er sich der Haltung des Muslims al-Ġazālī an (Zitat Nummer 457 [4]), ohne dessen allgemein philosophiekritische Haltung zu übernehmen. Der Text ist somit interessant für das langsame Wachstum einer wissenschaftlich-kritischen Haltung im Rahmen der Diskussion über die Ewigkeit der Welt.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Theologie (rationale/philosophische)
  • Ewigkeit der Welt
  • Judentum und Philosophie
  • Kalām
  • Kausalität
  • Kritik/Kritikfähigkeit
  • Logik
  • Philosophie und Religion
  • Wissenschaft(stheorie)
  • Dialektik

[1] Ich stellte fest, dass die Methode aller Mutakallimūn der Art nach eine einzige Methode ist, [...] weil das Prinzip von allen die Nichtbeachtung der Existenz, so wie sie ist, darstellt, da diese eine Gewohnheit sei, zu der im Verstand etwas Verschiedenes möglich sei. [...] Wenn festgestellt wurde, dass die Welt neu entstanden (muḥdaṯ) sei, wurde festgestellt, dass sie einen Hersteller (ṣāniʿ) habe, der sie neu gemacht habe. [...] Nun ist dies kein gültiger Beweis (burhān qatʿī), außer für jemanden, der nicht den Unterschied zwischen dem Beweis, der Dialektik und einem Fehlschluss kennt. [...] Bei all diesen Argumentationen (adilla) gibt es Zweifel, und in ihnen werden Prämissen verwendet, die nicht bewiesen sind.
[2] Meiner Meinung nach ist das Ziel der Fähigkeit eines argumentativ vorgehenden Gesetzesgelehrten, dass er die Argumentationen (adilla) der Philosophen für die Ewigkeit [der Welt] entkräftet; [...] schließlich weiß jeder scharfsinnige, argumentativ vorgehende Theoretiker, der sich selbst nicht betrügt, dass zu dieser Frage – ich meine bezüglich der Ewigkeit der Welt oder ihres Neugemachtseins – ein gültiger Beweis nicht erbracht werden kann und dass der Verstand vor ihr stehenbleibt.


Übersetzer: Abel /Levkovich/Musall, leicht geändert von Matthias Perkams