Original:
Begleitbrief König Manfred von Siziliens (reg. 1250-1266) zu einigen übersetzten Büchern
[1] Sedentibus in quadrigis philosophicae disciplinae Parisiensi studii doctoribus universis Manfredus dei gratia etc. [rex Siciliae] [...]
[2] Quamquam operosa frequenter negotiorum turba nos distrahat [...], quicquid tamen temporis de rerum familiarium occupatione decerpimus transire non patimur otiosum, sed totum in lectionis exercitatione gratuita libenter expendimus [...], in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur. [...]
[3] Dum librorum ergo volumina [...] revolvimus [...], nostris aliquando sensibus occurrerunt quas [...] vel hominis defectus aut operis ad Latinae linguae notitiam non perduxit. Volentes igitur, ut reverenda tantorum operum senilis auctoritas apud nos non absque multorum commodis vocis organo traductione iuvenescat, ea per viros electos et utriusque linguae peritos instanter duximus verborum fideliter servata virginitate transferri. [...]
[4] Ecce vobis potissime velut philosophiae praeclaris alumnis [...] libros aliquos, quos curiosum studium translatorum et lingua iam potuit fidelis instruere, consulto praevidimus praesentandos.
Quelle:
Manfred von Sizilien (König von Sizilien):
Begleitbrief
/
Epistula
(
ep.)
N.N.
Edition: Gauthier, in: Revue d. sc. philosoph. et théologiques 66, 1982.
Auslegung:
Dieser Text ist ein bedeutendes Zeugnis für die Umstände und die Ideen hinter den Übersetzungen arabischer Texte ins Lateinische im 13. Jahrhundert. Manfred, König von Sizilien (reg. 1250-1266), der Sohn Kaisers Friedrichs II., erklärt hier den Magistern der Artes-Fakultät der Universität Paris, wie er dazu kam, bestimmte Bücher übersetzen zu lassen. Bemerkenswert ist schon die Widmung selbst, in der Manfred die Pariser Hochschullehrer ausdrücklich als Philosophen anspricht. Er trägt damit dem Selbstverständnis einiger von ihnen Rechnung, auf rein philosophische Weise, und nicht auf ausdrücklich christlich-religiöse Weise, einen theoretischen Weg zum Glück zu lehren (vgl. Zitate Nummer 50 und 786). Hier zeigt sich die wissenschaftsoffene, recht tolerante Haltung der sizilianischen Könige aus dem Haus Hohenstaufen, die z.B. auch viele Muslime zu ihrem Gefolge zählten und trotz ihres eigenen christlichen Glaubens in stetem Konflikt mit dem Papst standen.
Interessant ist auch in [2] und [3] das Selbstbildnis Manfreds: Ganz ähnlich wie Cicero in den Vorworten zu seinen philosophischen Schriften betont Manfred, sich nur dann der Philosophie und Wissenschaft zu widmen, wenn ihm seine Regierungsaufgaben Zeit dazu lassen. Diese Widmung geschieht in seinem Fall offenbar so, dass er sich die ihn interessierenden Bücher mündlich vorübersetzen lässt. Auf der Grundlage dieser mündlichen Übersetzung entscheidet er dann, welche Bücher wichtig genug sind, auch schriftlich übersetzt und als prestigeträchtiges Geschenk an die Philosophische Fakultät zu Paris übersandt zu werden. Vorausgesetzt sind dabei Manfreds persönliches Interesse an diesen Texten und seine Fähigkeit, deren Qualität zu beurteilen. Das ist in erster Linie eine Form seiner Selbstdarstellung als gebildeter König, aber doch ungewöhnlich genug unter mittelalterlichen Herrschern, um ein echtes Interesse Manfreds an Philosophie und Wissenschaft zu vermuten.
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