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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Plotin: Enneade VI 9 [9], 3, 1. 37-47. 3-6

Original:

Plotin (205-270)
Τί ἂν οὖν εἴη τὸ ἓν καί τίνα φύσιν ἔχον; [...] ἐκεῖνο δὲ οὔ τι, ἀλλὰ πρὸ ἑκάστου, οὐδὲ ὄν· καὶ γὰρ τὸ ὂν οἷον μορφὴν τὴν τοῦ ὄντος ἔχει, ἄμορφον δὲ ἐκεῖνο καὶ μορφὴς νοητὴς. γεννητικὴ γὰρ ἡ τοῦ ἑνὸς φύσις οὖσα τῶν πάντων οὐδέν ἐστιν αὐτῶν [...], αὐτὸ καθ᾿ αὑτὸ μονοειδές, μᾶλλον δὲ ἀνείδεον πρὸ εἴδους ὂν παντὸς, προ κινήσεως, πρὸ στάσεως· [...] διὰ τί οὖν, εἰ μὴ κινούμενον, οὐχ ἑστώς; ὅτι περὶ μὲν τὸ ὂν τούτων θάτερον ἢ ἀμφότερα ἀνάγκη. [...] ἀλλ᾿ ἔστιν ἡμῖν γνῶσις εἴδεσιν ἐπερειδομένη. ὅσῳ δ᾿ ἂν εἰς ἀνείδεον ἡ ψυχὴ ἴῃ, ἐξαδυνατοῦσα περιλαβεῖν τῷ μὴ ὁρίζεσθαι καὶ οἷον τυποῦσθαι ὑπὸ ποικίλου τοῦ τυποῦνος ἐξολισθάνει καὶ φοβεῖται, μὴ οὐδὲν ἔχῃ.

Quelle: Plotin: Enneade /Enneade (enn.) VI 9 [9], 3, 1. 37-47. 3-6.
Edition: N.N.

Auslegung:

- entscheidend sind zwei Grundgedanken:
a) die Spitze des Seienden ist nicht seiend, weil sie eines ist
b) menschliche Erkenntnis ist auf das Seiende bezogen, nicht auf das Eine
- Grund: wir erkennen Dinge anhand von Merkmalen → Merkmale setzten eine Vielheit voraus → eine Vielheit ist mit absoluter Einheit nicht erkennbar
- Philosophie Plotins führt den Gedanken radikaler Transzendenz ins Denken ein
- bei Plotin grundsätzliche Leugnung der Gleichheit von Welt und Bewegung
- radikalere Leugnung der Erkennbarkeit „Gottes“ als bisher: es ist nicht nur ein sprachliches Problem, sondern es ist ein Problem des Seins als Ganzen, über sich hinaus zu steigen
(VL Gott und die Welt)

Themen:

  • Gott und die Welt
  • Das Eine

Was könnte das Eine also sein, was für eine Natur könnte es haben? […] Es ist nicht etwas, sondern vor jedem Einzelnen da, und es ist auch nicht seiend. Denn sogar das Seiende hat so etwas wie eine Gestalt, eben die, seiend zu sein, jenes hingegen hat keine Gestalt, auch keine geistig erkennbare. Weil die Natur des Einen nämlich alle Wesen hervorbringt ist es keines von ihnen, […] einförmig in sich selbst, oder vielmehr formlos, da es vor jeder Form da ist, vor der Bewegung, vor dem Stillstand. […] Und warum steht es nicht still, wenn es nicht in Bewegung ist? Weil nur bei dem, was ist, eins von beiden oder beides notwendig der Fall ist. […] Aber wir haben eine Erkenntnis, das sich auf Formen stützt. Sobald die Seele dagegen ins Formlose gelangt, ist sie nicht mehr in der Lage, es zu umfassen, weil sie hier nicht definiert und quasi geprägt wird von einem variationsreich Prägenden, und so gerät sie ins Rutschen und fürchtet, dass sie gar nichts hat.

Übersetzer: Tornau; leicht geändert