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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Natorp, Paul: Platons Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus S. 388f

Original:

Der Neukantianer Paul Natorp (1854-1924) betont den Unterschied von Platon und Aristoteles
a) Man schließe also in den Begriff der genetischen Ansicht von der Erkenntnis das Merkmal ein, daß der Gegenstand für unsre Erkenntnis stets im Werden [...] ist, in dem Begriff der abstraktiven Ansicht das diesem entgegengesetzte Merkmal, daß das gegebene Sein durch Abstraktion an sich erschöpfbar gedacht wird. [...]
b) Daß nun PLATOS Ansicht die genetische ist, hat in seiner Deutung der Erkenntnis [...] als Bestimmung eines Unbestimmten [...] einen Ausdruck von kaum zu überbietender Deutlichkeit gefunden. Aber ebenso entschieden [...] behauptet ARISTOTELES durchweg die abstraktive Ansicht. Nur von ihr aus [...] beurteilt er PLATO. [...] Daher kann er gar nicht anders, als sich an ihm ärgern, und durch [...] die verschlungenen Gänge seiner Fundamentalphilosophie hindurch ihn verfolgen in einem harten, mitunter höhnenden Ton, bis nahe an die Grenzen des einfachen Schimpfens. [...]
c) Das ist weniger zu verwundern als das Andre: daß man [...] fortfahren konnte, ARISTOTELES als den berufenen Nachfolger PLATOS [...] darzustellen. Dagegen, glaube ich, würden beide Philosophen gleich entschiedene Verwahrung eingelegt haben.

Quelle: Natorp, Paul: Platons Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus S. 388f.
Edition: N.N.

Auslegung:

- besondere Komplexität der Fragestellung dadurch, dass die beiden Lehrer und Schüler waren
→ Verhältnis von Platon und Aristoteles ist insbesondere methodologisch fixiert
- deutlich: Hintergrund der Kritik ist eine eigene philosophische Position
- die Konzepte „genetisch“ und „abstraktiv“ stehen für die aus dem Deutschen Idealismus bekannten Konzepte „Kritizismus“ und „Dogmatismus“
→ neuzeitliche Problemkonstellation führt zur Vergrundsätzlichung des Gegensatzes
→ nicht die historische Forschung, sondern die philosophische Positionierung erklärt das Verhältnis beider
- Hintergrund ist freilich auch eine Frage, die sich dubios mit dem Begriff „Realität“ umschreiben lässt
→ „real“ oder „wirklich“ sind entweder in erster Linie die irdische oder die himmlische Sphäre
- hier verdeutlichte Weltsichten sind archetypisch: entweder die Realität ist auf der Erde, oder sie ist eigentlich jenseits der Erde
→ im Verständnis der Klassiker verkörpern sich Gegensätze der Menschheit
- wichtig: himmlische Sphäre wird rational verstanden, nicht religiös: platonische Philosophie ist Philosophie, kein Götterglaube
- Gründe hierfür sind, wie noch zu zeigen ist, in der Entwicklung des griechischen Denkens gesehen

Themen:

  • Aristoteles
  • Platon
  • Antike Philosophie I