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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Homer : Odyssee Odyssee XI, 204-224

Original:

Homer berichtet über Odysseus’ Besuch in der Unterwelt
Ὣς ἔφατ᾿, αὐτὰρ ἐγώ γ᾿ ἔθελον φρεσὶ μερμηρίξας
μητρὸς ἐμῆς ψυχὴν ἑλέειν κατατεθνηυίης.
τρὶς μὲν ἐφορμήθην, ἑλέειν τέ με θυμὸς ἀνώγει,
τρὶς δέ μοι ἐκ χειρῶν σκιῇ εἴκελον ἢ καὶ ὀνείρῳ
ἔπτατ᾿· ἐμοὶ δ᾿ ἄχος ὀξὺ γενέσκετο κηρόθι μᾶλλον,
καί μιν φωνήσας ἔπεα πτερόεντα προσηύδων·
„Μῆτερ ἐμή, τί νύ μ᾿ οὐ μίμνεις ἑλέειν μεμαῶτα,
ὄφρα καὶ ἐν Ἀΐδαο φίλας περὶ χεῖρε βαλόντε
ἀμφοτέρω κρυεροῖο τεταρπώμεθα γόοιο;
ἦ τί μοι εἴδωλον τόδ᾿ ἀγαυὴ Περσεφόνεια
ὄτρυν᾿, ὄφρ᾿ ἔτι μᾶλλον ὀδυρόμενος στεναχίζω;“
Ὣς ἐφάμην, ἡ δ᾿ αὐτίκ᾿ ἀμείβετο πότνια μήτηρ·
„ὤ μοι, τέκνον ἐμόν, περὶ πάντων κάμμορε φωτῶν,
οὔ τί σε Περσεφόνεια, Διὸς θυγάτηρ, ἀπαφίσκει,
ἀλλ᾿ αὕτη δίκη ἐστὶ βροτῶν, ὅτε τίς κε θάνῃσιν·
οὐ γὰρ ἔτι σάρκας τε καὶ ὀστέα ἶνες ἔχουσιν,
ἀλλὰ τὰ μέν τε πυρὸς κρατερὸν μένος αἰθομένοιο
δαμνᾳ, ἐπεὶ κε πρῶτα λίπῃ λεύκ᾿ ὀστέα θυμός,
ψυχὴ δ᾿ ἠΰτ᾿ ὄνειρος ἀποπταμένη πεπότηται.


Quelle: Homer : Odyssee /ἡ Ὀδύσσεια (Od.) Odyssee XI, 204-224.
Edition: 1938

Auslegung:

VL Antike Philosophie I
- Odyssee schildert nach Abschluss des trojanischen Krieges die zehnjährige Irrfahrt des Odysseus und seine siegreiche Heimkehr in die Heimat Ithaka
- Unklar, ob er wirklich gelebt hat: Epen sind Sammlungen von Legendenerzählungen, die ursprünglich an Fürstenhofen vorgetragen wurden
- Homer noch nicht eigentlich Philosoph, aber die früheste Quelle für griechisches Geistesleben

VL Tod und Sterben
→ Begegnung mit der Unterwelt bereits ganz zu Anfang der europäischen Literatur
- Odysseus’ Begegnung mit seiner Mutter
- Grundsätzlich: Tod ist Trennung von Körper und Seele
- „Seele“ (psyche) ist synonym zu thymos (Lebensmut, bei Platon ein nicht rationales Seelenvermögen
- Tod als dike (oben: Schicksal, besser: gerechtes Ende, „the law to which mankind is subject“, Alfred Heubeck)
- Trennung und Verlust der Körperlichkeit wird als Mangel empfunden
- „Seele“ vermag als ein „Schatten“ oder „Traumbild“ zu erscheinen, ist aber nicht zu greifen
- Aber: Tote vermögen nach Trinken von Opferblut mit Menschen zu sprechen
- Menschenähnlichkeit, keine durchdachte Version von Körperlosigkeit, mythologisches Bild der Toten
→ negatives, hoffnungsloses Bild eines Lebens nach dem Tod, das aber in gewisser Weise als selbstverständlich angenommen wird
→ Problemstellung der Frage nach dem Tod sowie grundsätzliche Elemente der philosophischen Terminologie bereits erkennbar.

Themen:

  • Homer
  • Hades
  • Tod und Sterben
  • Antike Philosophie I

Also sprach der Schatten. Ich aber, aufs tiefste erschüttert,
Wollte liebend die Seele der toten Mutter umarmen.
Dreimal stürzte ich vor und wollte sie zärtlich umfassen,
Dreimal zerrann sie mir unter den Händen, als wär es ein Schatten
Oder ein Traum. Mir wuchs der Schmerz im Herzen noch ärger;
Und so rief ich ihr die geflügelten Worte hinüber:
"Meine Mutter, was meidest du meine sehnenden Arme?
Könnten wir nicht im Hades mit liebenden Händen einander
zärtlich umschlingen und uns durch herbe Klage erleichern?
Sandte mir etwa gar die hehre Persephoneia
Nur ein trügerisch Bild, dass ich noch bitterer seufze?"
Also sprach ich; da gab die würdige Mutter zur Antwort:
,Weh mir, teures Kind, unseligster unter den Menschen,
Nein, es täuscht’ dich nicht Zeus’ Tochter Persephoneia,
Dies ist das Schicksal der Menschen, sobald sie dem Tode erliegen,
Denn dann halten Gebeine und Sehnen nicht länger zusammen,
Sondern die mächtige Kraft des lodernden Feuers vernichtet
Alles, sobald der Geist die bleichen Gebeine verlassen;
Aber die Seele fliegt dahin wie ein flatterndes Traumbild.


Übersetzer: Thassilo von Scheffer

Quelle: N.N.