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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Galen: Über den Gebrauch der Körperteile XI, 14 p. 158f

Original:

Der Philosophie-kundige Arzt Galen hält das jüdische Schöpfungsverständnis aus der Perspektive der antiken Naturphilosophie für lächerlich
καὶ τοῦτ᾿ ἔστι, καθ᾿ ὃ τῆς Μωσοῦ δόξης ἥ θ᾿ ἡμετέρα καὶ ἡ Πλάτωνος καὶ ἡ τῶν ἄλλων τῶν παρ᾿ Ἕλλησιν ὀρθῶς μεταχειρισαμένων τοὺς περὶ φύσεως λόγους διαφέρει. τῷ μὲν γὰρ ἀρκεῖ τὸ βουληθῆναι τὸν θεὸν κοσμῆσαι τὴν ὕλην, ἡ δ᾿ εὐθὺς κεκόσμηται· πάντα γὰρ εἶναι νομίζει τῷ θεῷ δυνατά, κἂν εἰ τὴν τέφραν ἵππον ἢ βοῦν ἐθέλοι ποιεῖν. ἡμεῖς δ᾿ οὐχ οὕτω γιγνώσκομεν, ἀλλ᾿ εἶναι γάρ τινα λέγομεν ἀδύνατα φύσει καὶ τούτοις μηδ᾿ ἐπιχειρεῖν ὅλως τὸν θεόν, ἀλλ᾿ ἐκ τῶν δυνατῶν γενέσθαι τὸ βέλτιστον αἱρεῖσθαι.

Quelle: Galen: Über den Gebrauch der Körperteile /Περὶ χρείας µορίων /De usu partium (usu. part.) XI, 14 p. 158f.
Edition: Galeni de usu partium libri XVII. Ad codicum fidem recensuit G. Helmreich. Volumen 1–2, Leipzig 1907–1909.

Auslegung:

Der griechische Arzt und Philosoph Galen liefert hier eines der frühesten Zeugnisse dafür, wie das jüdisch-monotheistische Gottesbild aus der Perspektive eines antiken Philosophen und Wissenschaftlers wahrgenommen wurde. Das Bild, das dabei entsteht, hat mehrere Aspekte:
Zum einen wird Mose als Vertreter einer philosophischen Position wahrgenommen, die angemessenerweise Teil einer philosophischen Kritik wird. Gleichzeitig wird seine Position von derjenigen der griechischen Philosophen seit Platon abgegrenzt, die gerade durch eine bestimmte naturphilosophische Haltung gekennzeichnet sind. Es ist also im Text nicht von einem Unterscheid von Philosophie und Religion die Rede, sondern von unterschiedlichen Ansätzen, Gott und die Weltschöpfung zu verstehen. Somit sieht Galen eine Übereinstimmung mit der Position des Mose darin, dass ein höchster Gott die Ursache für das Sein der Welt ist.
Zum anderen behauptet Galen aber, dass es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen griechischen Philosophen sowie den durch Mose repräsentierten Juden in der Frage gebe, wie Gott Macht über die Welt ausüben kann: Für die Griechen tut er dies entsprechend den Grenzen und Regeln, in der die Gegenstände der Welt ihrer Natur nach kausal miteinander verknüpft sind; Gott kann die Welt also nur innerhalb von und gemäß diesen Regeln verändern. Für Mose ist er hingegen nicht an diese Regeln gebunden, sondern kann naturgesetzlich absurde Allmachtsakte setzen, z.B. rein durch seinen Willen ohne Beachtung jeglicher Naturgesetze Asche in einen Ochsen verwandeln. In dieser Hinsicht erweist sich Moses Position als irrational und schlechte Philosophie, bleibt aber offenbar doch eine Meinung, die diskutiert werden kann.

Themen:

  • Gott
  • Judentum
  • Platon
  • Mose
  • Judentum und Islam
  • Gott und die Welt
  • Mittelalterliche Philosophie
  • Allmacht Gottes
  • Judentum und Philosophie
  • Monotheismus
  • Philosophie und Religion

Das ist nämlich das, worin sich unsere Meinung, d.h. die Platons und die der anderen bei den Griechen, die die Untersuchungen über die Natur richtig angegangen sind, von der des Mose unterscheidet: Denn ihm genügt es, dass Gott die Materie ordnen will, und sofort ist sie geordnet. Er glaubt nämlich, dass Gott alles möglich ist, selbst wenn er will, dass die Asche ein Pferd oder ein Ochse wird. Wir aber erkennen, dass das nicht so ist, sondern sagen, es gebe Dinge, die natürlicherweise unmöglich sind und dass Gott diese gar nicht erst in Angriff nimmt, sondern dass er aus dem Möglichen auswählt, dass das Beste geschieht.


Übersetzer: Matthias Perkams