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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Wilhelm von Ockham: Fragen zum vierten Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus Opera theologica VIII, 358f

Original:

Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) legt die Freiheit ganz in die Wahl
[1] Operatio interior duplex est: una quae immediate est in potestate voluntatis, sicut volitio; alia quae non est in potestate voluntatis nisi mediante primo actu, et ideo primo actu destructo non est in potestate animae sicut intellectus. [...]
[2] Loquendo de primo actu [...] potest voluntas ex sua libertate – sine omni determinatione actuali vel habituali – actum illum vel eius oppositum elicere vel non elicere. Et ideo respectu illius actus non oportet in aliquo quod determinetur voluntas nisi a seipsa.
[3] Sed loquendo de secundo actu [...] dico quod ad hoc quod anima intelligit unum plus quam aliud, oportet ipsam determinari per alium actum qui immediate est in eius potestate, puta per volitionem, quia intelligere unum et non reliquum.

Quelle: Wilhelm von Ockham: Fragen zum vierten Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus Opera theologica VIII, 358f.
Edition: N.N.

Auslegung:

- bei Ockham wird Freiheit als spontane Willenswahl verstanden
- nur der Wahlakt als solcher ist überhaupt frei
- damit Vorwegnahme bzw. Begründung „libertaristischer“ Theorien
- typisch für das Spätmittelalter ist die affektive Verbindung dieser Position mit den Begriffen „Wille“ und „Freiheit“
- in der Antike kann teils ähnlich ohne diese Begriffe argumentiert werden

Themen:

  • Freiheit
  • Mittelalterliche Philosophie

[1] Die innere Tätigkeit ist zweifach: eine die unmittelbar in der Macht des Willens steht, so wie ein Willensakt; eine, die nur vermittelt des ersten Akts in der Macht des Willens steht, und daher bei Zerstörung des ersten Akts nicht in der Macht der Seele steht, so wie ein Denkakt. [...]
[2] Im Hinblick auf den ersten Akt [...] kann der Wille aus seiner Freiheit heraus ohne jede aktuale oder habituale Bestimmung den Akt oder sein Gegenteil hervorbringen oder nicht hervorbringen. Und daher ist es in Bezug auf diesen Akt in keiner Weise möglich, dass der Wille von etwas anderem bestimmt wird als von ihm selbst.
[3] Aber im Hinblick auf den zweiten Akt [...] sage ich, dass die Seele dazu, dass sie eher eines als ein anderes denkt, selbst durch einen Akt bestimmt werden muss, der unmittelbar in ihrer Macht steht, d.h. durch einen Willensakt, das eine und nicht das andere zu denken.

Übersetzer: Matthias Perkams