Original:
Proklos schreibt die Entstehung des Bösen der Seele zu, insbesondere für sie selbst
ἑλομένη μόνον ἡ ψυχὴ πρὸς ἄλλην καὶ ἄλλην μεθίσταται τάξιν· πᾶσα γὰρ αἵρεσις ἢ ἀνάγει τὴν ψυχὴν ἢ καθέλκει· εἰ μὲν οὖν ἀπὸ ψυχῆς ἡ αἵρεσις, κακόν, εἰ δὲ εἰς τὴν οἰκείαν τάξιν μεθίστησι τὸ ἑλόμενον, κατὰ δίκην ἐστὶ καὶ ἀγαθόν· [...] οὐδὲν ἄρα τῶν κακῶν ἐστιν, ὃ μὴ καὶ ἀγαθόν πώς ἐστιν, ἀλλὰ πάντα μετέχει προνοίας.
Quelle:
Proklos :
Kommentar zu Platons Timaios
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Εἰς Τίµαιον
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In Timaeum commentaria
1, 378, 10-22.
Edition: Procli Diadochi In Platonis Timaeum commentaria. Edidit E. Diehl. Tomus 1–3, Leipzig 1903–1906.
Auslegung:
Proklos’ Annahme, die rationalen Seelen seien für das Böse verantwortlich (Zitat Nr. 282), impliziert, dass die Seelen eine Wahlfreiheit haben. Diese wird an dieser Stelle von Proklos in seinem Kommentar zu Platons Timaios kurz zusammengefasst. Er betont dabei, dass die Wahl des Guten und des Bösen durch die Seelen zu deren Auf- und Abstieg, zu ihrem geistigen Ursprung hin oder in die Körperlichkeit, beiträgt. Wichtig ist auch der letzte Satz: Da die Seele als ein Bestandteil der Wirklichkeit (ontologisch) gut ist, ist etwas von seinem Sein her Gutes die Ursache des Bösen. Diese Lehre wird in der Erklärung des Bösen bei Pseudo-Dionysios Areopagita und im Mittelalter z.B. bei Thomas von Aquin (Zitat Nr. 622 und 623) eine große Rolle spielen. Tatsächlich ist Proklos in diesem Punkt zeitgenössischen christlichen Konzeptionen näher als Plotin, für den ja die Materie die Ursache für das Böse ist, welches die Seele fast automatisch in Unordnung versetzt (Zitat Nr. 273).
Themen:
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Das Böse
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Freiheit
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Seele
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Antike Philosophie II
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Freies Wählen
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Neuplatonismus