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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Wilhelm von Ockham: Dialog 1, 1, c. 5

Original:

Wilhelm von Ockham plädiert für die Einschränkung der Macht des Papstes
[1] Lex [...] christiana ex institutione Christi est lex libertatis respectu veteris legis, quae respectu novae legis fuit lex servitutis. Sed si papa haberetur a Christo talem plenitudinem potestatis, ut omnia possit, quae non sunt contra legem divinam nec contra legem naturalem, lex christiana ex institutione Christi esset lex intolerabilis servitutis et multo maioris servitutis quam lex vetus. Ergo papa non habet a Christo talem plenitudinem potestatis tam in spiritualibus quam in temporalibus. [...]
[2] Si enim hoc esset, omnes christiani essent servi et nullus esset liberae conditionis [...], ita quod papa libere posset privare reges ac omnes alios christianos regnis et omnibus rebus, reges et principes quibuscumque aliis subdere et constituere eos servos ipsorum. Haec enim et similia non sunt contra legem divinam nec contra legem naturalem. [...] Ex istis concluditur, quod praedicta opinio de plenitudine potestatis summi pontificis non solum falsa, sed etiam haereticalis esset habenda.

Quelle: Wilhelm von Ockham: Dialog /Dialogus 1, 1, c. 5.
Edition: N.N.

Auslegung:

Ockham plädiert folgerichtig für eine Begrenzung der Macht des Papstes und interpretiert dazu einen biblischen Text mithilfe einer philosophischen Klärung der Begriffe ,frei‘ und ,Knecht‘. (VL Freiheit)

Themen:

  • Freiheit
  • Papst

[1] Das christliche [...] Gesetz ist von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz der Freiheit im Vergleich zum alten Gesetz, welches im Vergleich zum neuen Gesetz ein Gesetz der Knechtschaft war. Aber wenn der Papst von Christus her eine solche Fülle von Macht hätte, dass er alles dürfte, was weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz ist, wäre das christliche Gesetz von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz von unerträglicher Knechtschaft und von viel größerer Knechtschaft als das alte Gesetz. Also hat der Papst nicht von Christus her eine solche Fülle der Macht sowohl im Geistlichen als auch im Zeitlichen [...].
[2] Denn wenn das der Fall wäre, wären alle Christen Knechte, und keiner wäre von freier Beschaffenheit [...], in der Weise, dass der Papst die Könige und alle anderen Christen ihrer Königreiche und aller Dinge berauben könnte, die Könige und Fürsten allen anderen unterwerfen und sie zu deren Knechten machen. Denn dies und Ähnliches ist weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz. [...] Hieraus folgt, dass die genannte Meinung über die Fülle der Macht des höchsten Priesters nicht nur als falsch, sondern auch als häretisch eingeschätzt werden muss.

Übersetzer: Matthias Perkams