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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Abaelard, Peter: Ja und Nein Anfang des Prologs

Original:

Peter Abaelard (1079-1142) über Probleme und Prinzipien der Texthermeneutik
Cum in tanta verborum multitudine nonnulla etiam sanctorum dicta non solum ab invicem diversa, verum etiam invicem adversa videantur, non est temere de eis iudicandum per quos mundus ipse iudicandus est, sicut scriptum est: ,Iudicabunt sancti nationes‘. [...] Ad nostram itaque recurrentes imbecillitatem nobis potius gratiam in intelligendo deesse quam eis in scribendo defuisse credamus. [...] Quid itaque mirum, si absente nobis spiritu ipso, per quem ea et scripta sunt et dictata [...], ipsorum nobis desit intelligentia?

Quelle: Abaelard, Peter: Ja und Nein /Sic et Non Anfang des Prologs.
Edition: N.N.

Auslegung:

- Problem: Widersprüche der Autoritäten - nicht nur zwischen Philosophen und heiligen Schriften, sondern auch in beiden
- Deutliche Erfassung der Schwierigkeiten durch Peter Abaelard, der zahlreiche Texte mit unterschiedlichen Meinungen sammelt
→ Notwendigkeit des Verstehens ergibt sich aus den heiligen Schriften selber
→ Hermeneutisches Vorgehen ist eine Notwendigkeit der christlichen Tradition

Themen:

  • Hermeneutik
  • Mittelalterliche Philosophie

Bei einer so großen Fülle von Worten erscheinen einige Aussagen, auch von Heiligen, nicht nur voneinander verschieden, sondern sogar einander entgegengesetzt. Trotzdem dürfen wir nicht leichtfertig über die richten, durch die selbst die Welt gerichtet werden soll, wie geschrieben steht: "Die Heiligen werden über die Völker richten" (Weisheit 3, 8). [...] Wir sollen daher unsere eigene Schwachheit bedenken und eher glauben, dass uns die Gnade beim Verstehen fehle, als dass sie ihnen beim Schreiben gefehlt habe. [...] Was ist also daran erstaunlich, wenn uns in Abwesenheit des Heiligen Geistes, durch den dies geschrieben und diktiert wurde [...], uns das Verständnis hiervon fehlt?

Übersetzer: K. Flasch, leicht geändert