Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Boethius, Anicius Manlius Severinus: Zweiter Kommentar zu Porphyrios’ Eisagoge Kap. 2.; CSEL 38, 138f

Original:

Boethius über die Notwendigkeit der Logik für die Philosophie
Duo sunt in quibus omnem operam vis animae ratiocinantis impendit, unum quidem, ut rerum naturas certa inquisitionis ratione cognoscat, alterum vero, ut ad scientiam prius veniat. [...] Neque enim quicquid sermonum discursus invenerit, id natura quoque fixum tenetur. Quare necesse erat eos falli qui abiecta scientia disputandi de rerum natura perquirerent. Nisi enim prius ad scientiam venerit quae ratiocinatio veram teneat disputandi semitam, quae verisimilem, et agnoverit quae fida, quae possit esse suspecta, rerum incorrupta veritas ex ratiocinatione non potest inveniri.

Quelle: Boethius, Anicius Manlius Severinus: Zweiter Kommentar zu Porphyrios’ Eisagoge Kap. 2.; CSEL 38, 138f.
Edition: Brandt

Auslegung:

- Besondere Bedeutung spätantiker Neuplatoniker: Porphyrios von Tyros und, von ihm abhängig, sein Übersetzer Boethius
- „rerum natura“ bezeichnet den Gegenstand der Physik bzw. Metaphysik
→ scharfe methodische Trennung der Wissenschaft über die Sachen selbst und der Erörterung der Wissenschaft selbst; Vorordnung der Logik vor die Metaphysik
- große Bedeutung dieses Textes für das mittelalterliche Wissenschaftsverständnis: Kommentar zur Eisagoge des Porphyrios steht am Anfang der Logik-Ausbildung, d.h. am Anfang der philosophischen Ausbildung im gesamten Mittelalter

Themen:

  • Logik
  • Mittelalterliche Philosophie

Es sind zweierlei Dinge, auf welche die Kraft der schlussfolgernden Seele alle Mühe aufwendet, nämlich das eine, dass sie mit einer sicheren untersuchenden Vernunft die Naturen der Dinge erkennt, das zweite aber, dass sie zunächst zur Wissenschaft gelangt. [...] Nicht alles nämlich, was der sprachliche Diskurs erfunden hat, das steht auch von Natur aus fest. Daher mussten sich die täuschen, die die Natur der Dinge ohne Beachtung der Wissenschaft über die Erörterung untersuchten. Denn wenn jemand nicht zuerst zur Wissenschaft darüber gelangt, welche Schlussfolgerung einen wahren Pfad der Erörterung einhält, und erkennt, welche vertrauenswürdig und welche verdächtig sein kann, kann die unverfälschte Wahrheit der Dinge durch Schlussfolgern nicht gefunden werden.

Übersetzer: eigene Übersetzung