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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Gregor von Nyssa: Gegen die Griechen aus den allgemeinen Einsichten p. 19; 23; 24

Original:

Während die Kappadokier erläutern, warum ein Gott korrekterweise in drei Personen bestehen kann, begründen sie die modernen Begriffe ,Person‘ und ,Individuum‘, wie sich an diesem Text Gregor von Nyssas zeigt
[1] Εἰ τὸ θεὸς ὄνομα προσώπου δηλωτικὸν ὑπῆρχεν, τρία πρόσωπα λέγοντες ἐξ ἀνάγκης τρεῖς ἂν ἐλέγομεν θεούς· εἰ δὲ τὸ θεὸς ὄνομα οὐσίας σημαντικόν ἐστιν, μίαν οὐσίαν ὁμολογοῦντες τῆς ἁγίας τριάδος ἕνα θεὸν εἰκότως δογματίζομεν. [...]
[2] Εἰ δὲ φαίη τις, ὅτι Πέτρον καὶ Παῦλον καὶ Βαρνάβαν φαμὲν τρεῖς οὐσίας μερικάς, τοῦτο γὰρ κυριώτερον εἰπεῖν, γνώτω ὅτι μερικὴν οὐσίαν, τουτέστιν ἰδικήν, λέγοντες οὐδὲν ἕτερον σημᾶναι βουλόμεθα ἢ ἄτομον, ὅπερ ἐστὶ πρόσωπον. [...]
[3] ἐπὶ δὲ τῆς ἁγίας τριάδος [...] δεῖ [...] τὰ αὐτὰ πρόσωπα καὶ οὐχ ἕτερα καὶ ἕτερα λέγεσθαι ἀεὶ κατὰ τὸ αὐτὸ καὶ ὡσαύτως ἔχοντα μήτε προσθήκην τινὰ δεχόμενα τὴν εἰς τετράδα μήτε μείωσιν τὴν εἰς δυάδα· (οὔτε γὰρ γεννᾶται ἢ ἐκπορεύεται ἐκ τοῦ πατρὸς ἢ ἐξ ἑνὸς τῶν προσώπων πρόσωπον ἕτερον, [...]· οὔτε τελευτᾷ ποτε ἓν τῶν τριῶν τούτων προσώπων.

Quelle: Gregor von Nyssa: Gegen die Griechen aus den allgemeinen Einsichten /Ad Graecos ex communibus notionibus p. 19; 23; 24.
Edition: Gregorii Nysseni Opera 3, 1

Auslegung:

Die kappadokischen Väter der Kirche (vgl. PZ 284 und 285) entwickeln gegen den so genannten Arianismus eine Erklärung der Trinität, in der Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichrangig die göttliche Wesenheit bzw. Substanz ausmachen. Damit ist das Verhältnis der Gottessubstanz zu den Personen analog zu denken zum Verhältnis der Art Mensch zu den einzelnen Menschen. Das impliziert, dass die aristotelischen ,Kategorien‘, die hinter dem Modell liegen, in einem starken Sinne (universalien-)realistisch interpretiert werden: Die allgemeine Substanz (Gott und Mensch) ist in höherem Maße real als die einzelnen Personen. Trotzdem spielen diese eine große Rolle in dem Text und werden als Individuum (a-tomon, Ungeteiltes; vgl. Boethius in PZ 300) und als Person (prosopon) bezeichnet. Der dritte Abschnitt weist auf den Unterschied zwischen Gott und Mensch hin, dass Gott als ewiger nur die immer gleich seienden drei Personen hat.

Themen:

  • Freiheit
  • Gott
  • Dreifaltigkeit
  • Christentum
  • Person
  • Trinität
  • Kategorien

[1] Wenn der Name ,Gott‘ eine Person [wörtl.: Gesicht, Maske] bezeichnen würde, würden wir, wenn wir von drei Personen sprechen, notwendigerweise drei Götter aussagen. Wenn aber der Name ,Gott‘ eine Substanz bezeichnend ist, dann legen wir richtig einen Gott als Dogma fest, weil wir eine Substanz der heiligen Trinität bekennen. [...]
[2] Wenn aber jemand sagen sollte, dass wir Peter und Paul und Barnabas als drei einzelne Substanzen bezeichnen – denn dies sei die eigentümlichere Begriffsverwendung –, mag er wissen, dass wir, wenn wir von einer einzelnen Substanz, d.h. einer speziellen, sprechen, wir nichts anderes bezeichnen wollen als ein Individuum, was dasselbe ist wie eine Person. [...]
[3] Aber über die heilige Dreifaltigkeit [...] müssen [...] immer dieselben Personen und nicht jeweils andere ausgesagt werden, weil sie sich gleich und ebenso verhalten und weder eine Hinzufügung zu einer Vierzahl noch eine Veränderung zu einer Zweizahl aufnehmen. Denn weder entsteht aus dem Vater noch aus irgendeiner der [drei göttlichen] Personen eine andere Person oder geht [aus ihm] hervor, noch endet eine dieser drei Personen jemals.

Übersetzer: Matthias Perkams