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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes IX 115-117

Original:

Gregor über die Ethik als Höhepunkt der Philosophie
Ἃ δὲ ἁπάντων ἐστὶ κορυφαιότατα, καὶ ὧν μάλιστα ἕνεκα πᾶν τὸ φιλόσοφον διαπονεῖται γένος, [...] τῶν ἄλλων ἁπάντων μαθημάτων καὶ φιλοσοφίας μακρᾶς καρποὺς ἀγαθοὺς ἐκδεχόμενον τὰς θείας ἀρετὰς τὰς περὶ ἦθος, ἐξ ὧν ἡ ἀτάραχος καὶ εὐσταθὴς τῶν ὁρμῶν τῆς ψυχῆς κατάστασις γίνεται·καὶ ἀλύπους μὲν καὶ ἀπαθεῖς ἁπάντων κακῶν, εὐτάκτους δὲ καὶ εὐσταθεῖς καὶ θεοειδεῖς ἤμελλεν ἡμᾶς ὄντως καὶ μακαρίους καταστήσεσθαι. Καὶ ταῦτα δὲ ἐξεπονεῖτο λόγοις τε ἰδίοις πραΰνουσι καὶ σοφοῖς, οὐχ ἥκιστα καὶ ἀναγκαιοτάτοις, περὶ τῶν ἠθῶν καὶ τῶν τρόπων ἡμῶν. Καὶ οὐ λόγοις μόνον, ἀλλ’ ἤδη καὶ ἔργοις τρόπον τινὰ διεκυβερνᾶτο παρ’ ἡμῶν τὰς ὁρμάς, αὐτῇ τῇ τῶν ὁρμῶν καὶ παθῶν τῶν τῆς ψυχῆς θεωρίᾳ καὶ κατανοήσει.

Quelle: Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes /Oratio prosphonetica ad Origenem IX 115-117.
Edition: Gregor der Wundertäter, Oratio prosphonetica ac panegyrica in Origenem. Dankrede an Origenes, übersetzt von Peter Guyot, eingeleitet von Richard Klein (Fontes Christiani 24), Freiburg u.a. 1996 (Griechisch-Deutsch).

Auslegung:

Nachdem in Zitat Nummer 750 die Rolle der Naturphilosophie geschildert worden war, verhilft Origenes seinen Schülern nun, ihr Wissen zu Tugenden auszubauen. Damit sind nicht die ethischen bzw. politischen Tugenden gemeint, wie Platon und Aristoteles sie diskutieren. Vielmehr lehrt Origenes, ebenso wie Plotin, die Ansicht, dass es auch höhere Arten von Tugenden gibt, die uns zur Begegnung mit dem Göttlichen befähigen. Möglicherweise kennen beide diese Ansicht von gemeinsamen Lehrern in Alexandria (das mögliche Verhältnis von Origenes und seinem Zeitgenossen Plotin ist eine schwierige Frage der Forschung). Jedenfalls sollen diese Tugenden ihrem Inhaber die Leidensfreiheit (ἀπαθεία/apatheia) verleihen, die ursprünglich aus der hellenistischen Philosophie stammt (vgl. Zitat Nummer 143), aber hier in transformierter Weise als eine Haltung beschrieben wird, die den Menschen zur Begegnung mit dem Göttlichen befähigt (vgl. auch Zitat Nummer 286).

Themen:

  • Philosophie
  • Wege des Ich
  • Apatheia
  • Aufstieg (der Seele)
  • Philosophen
  • Philosophieunterricht
  • Tugenden (göttliche/reine)

Das aber, das von allem das Wichtigste ist und um dessentwillen sich die gesamte Gruppe der Philosophen anstrengt, die [...] aus einer langen Beschäftigung mit allen anderen Lehrgebieten und mit der Philosophie edle Früchte erntet, sind die göttlichen Tugenden, die das Ethos betreffen, aus denen die Antriebe der Seele in einen unerschütterlichen und gefestigten Zustand versetzt werden. Er wollte uns sowohl frei von Leid als auch unempfindlich gegen alles Übel, ausgeglichen, gefestigt sowie wahrhaft gottähnlich und selig machen. Hierum bemühte er sich mit eigenen Worten über unseren Charakter und unser Verhalten, die beruhigend und weise, aber auch sehr zwingend waren. Und nicht nur durch Worte, sondern in gewisser Weise bereits auch durch Taten lenkte er unsere Antriebe, und zwar durch die Betrachtung und Prüfung der Antriebe und Leidenschaften der Seele.

Übersetzer: Peter Guyot, leicht angepasst von Matthias Perkams