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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Lukian von Samosata: Hermotimos 2. 6f

Original:

Hermotimos schildert sein Ziel und die Schwierigkeit des Philosophierens, während Lykinos die Absurdität seiner Position darstellt
H.: ἀλλ’ εἴη βιῶναι ὡς μίαν γοῦν ἡμέραν εὐδαιμονήσω σοφὸς γενόμενος.
L.: Καὶ ἱκανή σοι ἀντὶ τῶν τοσούτων καμάτων ἡ μία ἡμέρα;
H.: Ἐμοὶ μὲν καὶ ἀκαριαῖον ὁπόσον ἱκανόν.
L.: Τὰ δὲ δὴ ἄνω ὅτι εὐδαίμονα καὶ τοιαῦτα ὡς πάντα χρῆν ὑπομεῖναι δι’ αὐτά πόθεν ἔχεις εἰδέναι; οὐ γὰρ δὴ αὐτός πω ἀνελήλυθας.
H.: Ἀλλὰ τῷ διδασκάλῳ πιστεύω λέγοντι. [...]
L.: Ἔλεγε δὲ πρὸς θεῶν ποῖα τὰ περὶ αὐτῶν ἢ τίνα τὴν εὐδαιμονίαν εἶναι τὴν ἐκεῖ; [...]
H.: Σοφίαν καὶ ἀνδρείαν καὶ τὸ καλὸν αὐτὸ καὶ τὸ δίκαιον καὶ τὸ πάντα ἐπίστασθαι βεβαίως πεπεισμένον ᾗ ἕκαστα ἔχει. πλούτους δὲ καὶ δόξας καὶ ἡδονὰς καὶ ὅσα τοῦ σώματος ταῦτα πάντα κάτω ἀφεῖκεν καὶ ἀποδυσάμενος ἀνέρχεται. [...] ὃς ἂν ἀποτελεσθῇ πρὸς ἀρετὴν οὔτε ὀργῇ οὔτε φόβῳ οὔτ’ἐπιθυμίαις ὁ τοιοῦτος ἂν δουλεύοι οὐδὲ λυποῖτο οὐδὲ ὅλως πάθος ἔτι τοιοῦτον πάθοι ἄν.

Quelle: Lukian von Samosata: Hermotimos /Ἑρμότιμος ἢ Περὶ Αἱρέσεων /Hermotimos 2. 6f.
Edition: Luciani Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit M. D. Macleod. Tomus 2: Libelli 69–86, Oxford 1987, S. 17–84.

Auslegung:

Der Text führt den in Zitat Nummer 754 begonnenen satirischen Dialog des Lykinos mit dem Philosophenschüler Hermotimos weiter. In diesem Abschnitt werden zwei Aspekte des antiken Philosophieideals ironisch gebrochen.
a) Das ist zum einen die Vorstellung, dass ein Glücksmoment alle Mühen aufwiegt, die man dafür in Kauf genommen hat. Dieses Denken widerspricht natürlich dem aristotelischen Ideal einer dauernden Glückseligkeit, könnte aber in der Art einer mystischen Schau trotzdem verbreitet gewesen sein. Möglicherweise spielt Lukian auch auf ein in seiner Zeit verbreitetes Missverständnis des philosophischen Glücksbegriffs an.
b) Zum anderen spricht Lukian das offenbar als blind empfundene Vertrauen in den eigenen Lehrer an, der jeweils einer philosophischen Richtung angehört (hier z. B. der Stoa). Auf diese Weise wird, so das Klischee, nur der Inhalt dieser Position gelehrt, nicht aber jede mögliche Position kritisch geprüft. So verkommt die Philosophie zu einer bloßen Ausbildung und verliert ihren Charakter einer kritischen Reflexion.
Man sieht an diesen Punkten, dass Lukian die zeitgenössischen philosophischen Praktiken durchaus von einem philosophischen Ideal her lächerlich macht.

Themen:

  • Hermotimos
  • Wege des Ich
  • Dialog (philosophischer)
  • Philosophen (Stereotypen über)
  • Philosophie
  • Philosophie als Lebensform
  • Satire
  • Glückseligkeit (Eudaimonia)

Ich will leben und wenigstens einen Tag die Glückseligkeit genießen, wenn ich ein Weiser geworden bin.
L.: Und das genügt dir, ein Tag? Für soviel Mühe?
H.: Egal wieviel! Es wird mir genügen.
L.: Und was ist nun mit den Verhältnissen oben auf dem Gipfel? Dass Glück herrscht und die Dinge so sind, dass man dafür alles ertragen muss, woher weißt du das? Denn du bist ja selbst noch nicht hinaufgestiegen?
H.: Da vertraue ich meinem Lehrer. [...]
L.: Bei den Göttern! Was hat er Dir darüber erzählt? Wie ist es dort? Und was herrscht dort für ein Glück? [...]
H.: Weisheit und Tapferkeit und das an sich Gute und Gerechte sowie das sichere Wissen von allem, wie es sich verhält. [...] Wer sich vollendet und die Tugend erlangt, der ist nicht mehr Sklave des Zorns, der Angst der Triebe, der kennt auch keinen Kummer mehr, ja jegliche Emotionen sind ihm fremd.

Übersetzer: P. von Moellendorff, leicht geändert von Matthias Perkams